Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
stotterndem Motor stehen und stieg aus, um einen Blick in die Gärten zu werfen.
»Deine Karre klingt aber nicht gesund, Mädchen!«, rief eine Stimme hinter mir.
Ein hagerer Kerl lehnte an einem kaum bewachsenen Zaunstück. Sein wettergegerbtes Gesicht und den schiefen Mund verhängten gelbe Haarfransen. Er trug einen verschmierten Blaumann und sah eher nach Bauarbeiter als nach Hobbygärtner aus.
»Ich würde mal nach dem Auspuff sehen …« Er wiegte den Kopf auf seinem langen, dünnen Hals hin und her.
Ich guckte in seinen Garten. Kurz gehaltener Rasen mit altem Obstbaumbestand. Bei der obligatorischen Gartenlaube handelte es sich um ein winziges Fachwerkhaus, dessen Grundfläche zur Gartenrückseite hin mit einem selbst gebastelten Zelt aus schweren Teichfolien verdoppelt worden war.
»Ich überlege, wie ich mein Bier in den Garten kriege«, erklärte ich dem Fremden.
»Ach?« Er musterte mich genauer und sein Gesicht erhellte sich. »Hast du Alwin den Garten weggeschnappt?«
»Wie bitte?«
Der Hagere winkte ab. »Der hat seit Wochen getrötet, er wolle den Urwald übernehmen. Ist aber nicht in die Gänge gekommen. Ist doch klar, dass Peter den Garten irgendwann verpachtet. Zum Glück hat er nicht wieder einen Bullen hier einquartiert, um uns zu ärgern. Also keine Sorge wegen Alwin, der kriegt sich wieder ein. Lad dein Zeug aus, ich lass dich rein.«
Ich strahlte, ehrlich begeistert.
»Ich bin übrigens der Ulli.«
Ich schüttelte über den Zaun hinweg seine knochige Hand. Aus dem hochgerutschten Hemdärmel rankte eine dunkle Tätowierung über den Unterarm, das Handgelenk und endete in schwarzen Punkten am Daumenknöchel.
Der Hagere rupfte mit einem Ruck einen nur lose eingesteckten Zaunpfosten aus grün lackiertem Metall aus dem Boden und zerrte den Maschendraht zur Seite. In Sekundenschnelle war ein Eingang entstanden.
»Ich heiße Lila«, stellte ich mich vor, während ich schnaufend die erste Bierkiste stemmte. Wenn ich den Abstand zwischen den Zaunpfosten und die Größe der Lücke im Gebüsch richtig einschätzte, konnte der Hagere mühelos mit dem Auto bis vor seine Gartenlaube fahren.
Tatsächlich hatte Ulli sich sogar ein altes Garagentor in seine Laube gebastelt, registrierte ich im Vorbeigehen. Weil er für sein Leben gern gärtnerte, hatte Ulli den Kleingarten jedenfalls nicht gepachtet. Zierpflanzen suchte man hier vergebens. Er beschränkte sich darauf, den Rasen um die Obstbäume herum kurz zu halten. Vielleicht ein Hobbymechaniker, der in seiner Gartenlaube einen alten VW-Käfer restaurierte?
Der Hagere hatte die zweite Bierkiste von der Ladefläche gehoben und gemeinsam schleppten wir den Stoff über seine Parzelle zum Kiesweg, der durch die Gartenanlage führte.
Nun wusste ich, wo ich war. Die hinterste Gartenreihe begann mit einem Eckgrundstück, das eine hohe, dichte und sorgfältig gerade geschnittene Buchsbaumhecke wie eine grüne Mauer umgrenzte. Daneben bewirtschaftete Ulli sein Grundstück, es folgte Alwin Kopelskis Blockhütte in Klein-Kanada und dann kam unser Dschungel – in dem sich, während ich eingekauft hatte, schon einiges verändert hatte.
Danner und Fiete hatten die Ärmel hochgekrempelt und sich mit Sense und Astschneider durchs Gestrüpp gearbeitet. Verstärkung hatten sie von einem pummeligen Pudelmützenträger bekommen, der mit einer knatternden Motorsense ein Massaker unter den Brennnesselstengeln veranstaltete. Zwei jüngere Männer in Tarnwesten und Springerstiefeln waren sogar mit Kettensägen angerückt.
Grizzly Adams stand, einen Fuß auf der ersten, bereits geleerten Bierkiste, am Zaun und beobachtete die groß angelegten Aufräumarbeiten.
»Pass auf, Kröte! Da kommt irgendwo der Teich!«, brüllte er plötzlich quer übers Beet. Es gelang ihm tatsächlich, das Getöse der Motoren zu übertönen.
Ich ließ den frischen Kasten Fiege neben Grizzly Adams Füße krachen. Einen Augenblick lang blieb mein Blick an seinen erdverschmierten Stiefeln kleben.
Der hagere Ulli, der die zweite Getränkekiste hinter mir hergeschleppt hatte, rumste den Nachschub ebenfalls auf den Kiesweg. Dann machte er ein schnorchelndes Geräusch und rotzte klebrige, schwarze Spucke über den Zaun.
Boah, da war ja Toni, das Lama, appetitlicher. Ein paar klitzekleine Spuren hatten die Erziehungsversuche meiner Mutter, ein manierliches Oberstaatsanwaltstöchterlein aus mir zu formen, anscheinend doch hinterlassen.
»Ulli.« Grizzly Adams streckte dem Nachbarschreber die
Weitere Kostenlose Bücher