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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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nicht weiter. Ein neuer Versuch, den Vater ins Gespräch zu bringen, endete mit dem üblichen Krach. Ein richtiger Mann müsse sich von Anfang an alleine durchschlagen, befand Mama.
    Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn klar gewesen wäre, wie und wohin. Der wattige Nebel um mich her bot keine
    Angriffsfläche. Darin den Weg zum Geld und ans Licht finden zu wollen schien nicht sehr aussichtsreich.
    Gleich die erste Aufnahmeprüfung verriss ich - es war ein Aufsatz, der aus irgendwelchen Gründen in den Räumen der Physikalischen Fakultät der Moskauer Universität geschrieben wurde. Das Bild der Heimat in meinem Herzen hieß das Thema. Ich schrieb über den Trickfilm, die Kobolde und ihr Heuschreckenlied, die UdSSR-Baumscheibe und die stiften gegangenen Wale. Zwar dachte ich mir gleich, dass, wer an einer renommierten Hochschule ankommen will, lieber nicht die Wahrheit sagt, aber ich sah keine andere Wahl. Mein Verderben, so sagte man mir, sei der Satz gewesen: »Und doch bin ich ein Patriot: Ich liebe unsere grausame, ungerechte unter Dauerfrostbedingungen existierende Gesellschaft.« Denn hinter »ungerechte« hätte ein Komma gehört.
    Als ich der Kommission meine letzte Aufwartung machte, sah ich eine Zeichnung an der Tür hängen, darauf eine fröhliche Schnecke (aber auch sie schien, wie der Vater auf dem Photo im Netz, einem anderen zuzulächeln). Darunter stand der Vers eines alt japanischen Dichters:
O Schnecke! Beim Besteigen des Fujiyama übereile nichts!
    Ich zückte den Stift und schrieb darunter:
Oben auf dem Berg sind schon genug Schnecken.
    Dies war meine erste schmerzliche Niederlage im Leben. Meine Antwort an das Schicksal war, dass ich im Supermarkt bei uns nebenan als Transportarbeiter anfing.
    Die ersten paar Tage schien es mir, als hätte ich mich nun, an den Grund des Lebens abgetaucht, dem Zugriff sozialdar-winistischer Gesetze entzogen. Doch ich begriff sehr schnell, dass keine Tauchtiefe und kein Ghetto mich vor diesen Gesetzen retten konnten, weil jede Zelle des gesellschaftlichen Organismus nach denselben Prinzipien funktioniert wie die Gesellschaft im Ganzen.
    Ich weiß sogar noch die Gelegenheit, bei der mir das klar wurde (und bei der ich auf dem Grat zur Hellseherei balancierte, aber das sollte sich erst viel später herausstellen). Ich hatte einen englischen Film gesehen: Dune - Der Wüstenplanet. Da gibt es sogenannte Navigatoren, die das Raumfahrtmonopol innehaben. Diese Wesen konsumieren regelmäßig eine bestimmte Droge, die aus ihnen ein Zwischending zwischen Mensch und Flugsaurier macht. Der Navigator breitet seine Schwingen aus, biegt sich den Raum zurecht, und schon hat sich eine Raumschiffflotte von einem Teil des Universums in den anderen katapultiert... Mir kam die Vorstellung, irgendwo in Moskau könnte ein ähnlich grausiges Geschöpf seine Flügel über die Welt breiten. Die Menschen merken nichts und wimmeln ameisengleich durcheinander, um ihren täglichen Pflichten nachzugehen, dabei gibt es diese Pflichten gar nicht mehr. Ringsum ist schon ein anderer Kosmos, in dem neue Gesetze herrschen, sie haben es nur noch nicht bemerkt.
    Diese Gesetze wirkten auch in der Welt der Transportarbeiter. Hier galt es als rechtens zu stehlen (in bemessenen Grenzen, versteht sich), ab und an gemeinsame Sache zu machen und ansonsten um einen Platz an der (unsichtbaren) Sonne zu kämpfen, und das nicht irgendwie, sondern mit einem von der Tradition geheiligten Repertoire an Gesten und Gebärden. Kurz: Selbst hier hatte man seinen Fuji, so mickrig und bekotzt er auch war.
    Müßig zu sagen, dass ich beim Aufstieg wieder einmal hinterherhinkte. Ich wurde fortlaufend zu Nachtschichten eingeteilt und bei den Vorgesetzten angezinkt. Loser unter Transportmaxen zu sein fand ich dann doch schwer erträglich, und als es zum zweiten Mal nach dem Schulabschluss Sommer wurde, kündigte ich.
    Fürs Erste genügte mir das im Supermarkt verdiente Geld (das gar nicht so wenig war, selbst wenn man das geklaute abzog), um eine gewisse Unabhängigkeit von der Mutter zu pflegen; den Umgang mit ihr reduzierte ich auf ein Minimum. Übrig blieb eigentlich nur ein einziges Ritual. Hin und wieder hielt Mama mich auf dem Flur an und rief: »Sieh mir in die Augen!« Sie war überzeugt davon, dass ich Drogen nahm, und meinte unterscheiden zu können, wann ich high war und wann nicht. Ich nahm überhaupt nichts, aber irgendwie kam meine Mutter beinahe täglich zu dem Schluss, ich hätte - manchmal unterstellte sie

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