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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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in Ziegen verliebte. Ich glaube, es war in Wirklichkeit das ganze Drum und Dran, für das die Ziegen irgendwie standen. Jinn wollte auf einem kleinen Bauernhof leben und Hühner und vielleicht ein Schwein halten, aber vor allem Ziegen.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Jinn mit der Kälte im Winter zurechtkommen würde, aber sie kannte nur die Sommer. Manchmal waren sie sagenhaft warm, und wir sonnten uns halb nackt in den Dünen, wo wir uns sanft braten ließen und uns so warm wurde, dass wir uns ins Meer stürzen und abkühlen mussten. So warm. Aber manchmal, wenn ein leichter Wind wehte, konnte man spüren, wie eklig es im November vielleicht werden könnte. Wenn der Wind heftiger wurde und kleine Sandstürme aufpeitschte, hielt Jinn ihre Strickjacke über uns beide, damit wir weiter an unserem Eis am Stiel lutschen konnten, das voll von kleinen Sandkörnern war.
    Jinn setzte sich dann in den Dünen auf, die Arme um die Knie geschlungen, die Augen halb geschlossen, mit einem perfekten, kleinen glücklichen Lächeln im Gesicht, und ihr blondes, vom Meerwasser aufgerautes Haar flatterte im Wind wie die zerzauste Mähne eines Ponys. Jinns schützende Outdoor-Kleidung bestand aus einem nutzlosen durchbrochenen Strickjäckchen, das keine Knöpfe, sondern nur ein Band hatte, das man empiremäßig vorne unter der Brust zubinden konnte, was Jinn aber nie tat, sodass es in der Brise flatterte und schimmerte. Die Farbe des Bandes entsprach der Farbe des Flusses, der sich durch die Dünen und Felsen schlängelte, bevor er sich ziellos über den Strand ergoss – in Kaskaden auf den Sand herabfiel wie Fetzen dieses Bandes, silberblau und seidig und sich kräuselnd. Wenn ich dann Jinn betrachtete, die exakt zu dem Fluss passte und glücklich war wie ein Pony, dann vergaß ich, dass ich lieber in Center Parcs gewesen wäre.
    Nicht dass wir uns Center Parcs hätten leisten können, aber Lara wäre sowieso nicht dorthin gegangen. Lara träumte davon, einem mürrischen, wilden Hochländer zu begegnen, der sie umhauen würde (was beweist, dass man mit dem, was man sich wünscht, vorsichtig sein sollte, denn wie sich herausstellte, kam der Fahrer des verhängnisvollen Vauxhall Astra aus Dinghall). Doch in der Zwischenzeit hing sie gern am Hafen herum, beobachtete die hereinkommenden Boote und stellte eifrige Fragen über die Fische und das Wetter und die Hummerfangkörbe. Jeden Abend ging sie zum Creel, wo man ihr Bier ausgab, und quatschte Trinker an, die, wie sich herausstellte, oft mürrische, wilde Londoner waren. Aber man kann eben nicht alles haben.
    Jinn und ich gestalteten also mehr oder weniger unseren eigenen Urlaub, und das sehr erfolgreich. Wenn es uns langweilig wurde, zu schwimmen, uns zu sonnen oder Zeitschriften aus dem Hotel zu klauen, ärgerten wir den kleinen Mann, dem der Laden gehörte. Er fand, dass das Leben in einer abgelegenen ländlichen Gemeinde überhaupt nicht lustig sei, ÜBERHAUPT nicht. Er betrachtete Jinn und mich als potenzielle Ladendiebe, und wir verhielten uns entsprechend, obwohl es dort nichts gab, was wir stehlen wollten. Wir standen vor den Regalen, steckten die Köpfe zusammen, nahmen Mückenspray, Würstchen in Dosen und Baby-Shampoo in die Hand und stellten es wieder zurück, während der kleine Mann uns wütend anstarrte und seinen kurzen, dicken Hals reckte. Wir spazierten die beiden kleinen Gänge auf und ab, und wenn er dann hinter seiner Ladentheke hervorkam und uns folgte, um zu sehen, was wir vorhatten, kehrten wir um und gingen den Weg zurück, den wir gekommen waren.
    Wenn niemand im Laden war und Jinn ganz ernst »viel los heute« sagte, dann blickte er so finster drein, als wollte er sie an der Neonröhre aufhängen. Der Punkt war, dass er Touristen nicht mochte, und Kinder noch viel weniger. Doch egal, was er sagte oder tat, Jinn kaufte auch weiterhin Sachen bei ihm, obwohl er weiß Gott versuchte, sie davon abzuhalten. Wenn wir anschließend in den Dünen oberhalb des Strands saßen und unser sandiges Eis am Stiel aßen, lachten wir uns halb tot. Auch wenn er diesen engstirnigen Hochländer-Stolz an den Tag legte – wir wussten ganz genau, dass er aus einer grauen Stadt zwei Meilen westlich von Leeds kam.
    Eines Tages stand Jinn dann im Gang und ließ mich über ihre Schulter Private Eye lesen – nur die lustigen Passagen, wir

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