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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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sie nur auseinanderrollen und in einer geraden Linie auslegen könnte. Sie würde dreimal um den Globus reichen oder so, wie malerische Eingeweide.
    Das Cottage war eins von denen, die auf der Webseite hübsch aussehen, weiß vor einem Himmel, der blauer ist als die Wirklichkeit. Drinnen hatte es feuchte Wände, Tapeten, die in dunklen Ecken abblätterten, furchtbare Küchenschränke, in denen man alles in der Mitte platzieren musste, damit die Lebensmittel nicht mit den schimmeligen Seitenwänden in Berührung kamen, und Geschirr, das wir abwuschen, bevor wir es benutzten. Das Haus war immer kalt, selbst an einem blaugrünen Sommertag, und wir mussten für die Elektrizität bezahlen, indem wir Münzen in einen stets hungrigen Zähler schoben. Doch es gab ein Kohlefeuer, das den Raum mit Rauch und dem Geruch von Feueranzündern füllte, vor dem wir uns abends immer aneinanderkauern konnten, und nachts kroch ich dann in Jinns Bett, damit mir warm genug wurde, um einzuschlafen. Sie sagte dann, ich solle zurück in mein eigenes Bett gehen, weil ich im Schlaf treten würde, rieb mir aber den Rücken, fuhr mit dem Daumen an der Wirbelsäule hoch und runter, und das Nächste, was ich wahrnahm, war, dass der Morgen bereits hereingebrochen und ich noch immer an sie gekuschelt war und ihren reglosen Daumen an meinem Rückgrat spürte, weil sie irgendwann auch eingenickt war.
    Der große Vorteil des Cottage war natürlich, dass es nicht viel kostete. Und die Umgebung erfüllte ihr Versprechen. Bei gutem Wetter war der Himmel tatsächlich unwirklich blau.
    Das Cottage war billig, weil wir dort zwei Haustiere hüten mussten, nämlich zwei Ziegen. Ich sah nie ein Zicklein, und soviel ich weiß, musste Lara sie auch nicht melken. Deswegen nenne ich sie Haustiere, obwohl das Cottage als kleiner Bauernhof galt. Die Ziegen waren genauso bösartig wie die in dem Streichelzoo. Der Geißbock war mit superknappem Vorsprung der Bessere der beiden, doch die Zicke lernte schnell, Lara aufzulauern, wenn sie aus dem Wagen stieg. Lara hatte Angst vor ihr, und die Zicke wusste das und wartete schon auf sie. Wenn der Wagen anhielt, stand sie geduldig neben der Fahrertür und beobachtete Lara mit ihren leeren gelben Teufelsaugen. Beim ersten Mal fand Lara das bezaubernd. Als sie gurrend aus dem Wagen stieg und sich umdrehte, um die Lebensmittel herauszuholen, senkte die Zicke den Kopf, holte aus und stieß sie heftig in den Hintern. Die Lebensmittel flogen in alle Richtungen.
    Danach hatte Lara Angst, aus dem Wagen zu steigen. Jinn, die nicht die geringste Angst vor der Zicke hatte (und die Zicke wusste das auch), musste zuerst aussteigen und sie wegscheuchen. Wenn Lara allein war, blieb sie im Auto sitzen und hupte. Je nachdem in welcher Stimmung Jinn war, rannte sie entweder nach draußen, um ihrer Pflicht nachzukommen, oder sie rief mich, und wir beobachteten Lara durch die dünnen Stores, flüsterten und kicherten, schauten auf die Uhr und schlossen Wetten ab, wie lange es dauern würde, bis unsere Mutter die Beherrschung verlor. Schließlich ging Jinn dann langsam zur Vordertür raus, schlenderte zur Rückseite des Cottage und tat so, als habe sie draußen gespielt und die Sache erst jetzt bemerkt.
    Lara konnte nie das Gegenteil beweisen, doch ein- oder zweimal merkte ich, dass sie den Wuttränen nahe war. Jedes Mal wenn sie versuchte, alleine zurechtzukommen, lagen hinterher die Einkäufe überall im Garten verstreut, weil sie sie bei ihrer panikartigen Flucht vor der Zicke fallen ließ. Deswegen wartete sie schließlich immer auf Jinn, egal wie lange es dauerte. Es war Jinns kleines Machtspielchen mit unserer Mutter, aber es war das einzige, das sie wirklich hatte. Und manchmal war sie einfach wütend auf Lara. Wenn ich es mir überlege, dann glaube ich nicht, dass sie je aufhörte, wütend auf Lara zu sein.
    Es lag nicht daran, dass Lara herrschsüchtig gewesen wäre: im Gegenteil. Und es lag nicht daran, dass ihr alles egal gewesen wäre. Lara war einfach nicht bindungsfähig. Sie hatte andere Dinge im Kopf; entweder das oder sie hatte gar nichts im Kopf. Manchmal hielt ihr Geist Winterschlaf, wie ein Computer, wenn man ihn nicht gebraucht. Man musste die Leertaste drücken – oder Lara einen Stoß in den Brustkorb geben –, damit er wieder funktionierte.
    Es war dort bei diesem Cottage, dass Jinn sich das erste Mal

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