Das fuenfte Maedchen

hatten nicht viel Zeit, bevor wir rausgejagt wurden –, und sie prustete gerade los wegen eines politischen Cartoons, den ich nicht verstand, als eine Stimme am Ende des Gangs mit Pastasauce und billigem chinesischen Spielzeug sagte: »Jinn?«
    Sie lächelte, noch bevor sie sich umdrehte und hinschaute. Und das freute mich, denn am Ende des Gangs stand mit einem Grinsen, das eine Mischung aus unsicher und schüchtern war, Tom Jerrold.
    Alex war natürlich bei ihm, aber wir beachteten ihn nicht. Nicht dass Jinn hinlief und Tom umarmte oder so was Dummes. Sie schlenderte zu ihm hin, bis sie nur wenige Millimeter vor ihm stand, und schenkte ihm ihr offenes funkelndes Lächeln, berührte ihn aber nicht. Ich hängte mich nur an sie und machte mir im Geiste Notizen.
    Â»Super! Hi, Tom. Seid ihr hier auf Urlaub?«
    Tom umklammerte zwei Liter Milch, einen Independent , eine Daily Mail und eine Schachtel eingefrorene Kartoffelwaffeln, schaffte es aber, cool auszusehen, während er nickte. »Wir machen Urlaub zu Hause. Sagt Dad. So viel zu Cape Cod dieses Jahr.« Er rollte die Augen und zog eine Grimasse, die Jinn zum Lachen brachte.
    Â»Oh, das ist doch fast dasselbe.«
    Â»Du siehst immer alles so positiv.«
    Â»Schließlich sind wir hier jedes Jahr als Sommergäste«, sagte sie. Mir gefiel dieser Ausdruck so gut, wie er offensichtlich auch Tom gefiel. Die Wörter gaben unseren Ferien auf dem Bauernhof einen neuen glamourösen Glanz. »Ihr habt erst jetzt den Trend mitbekommen, ihr traurigen Nachzügler.«
    Â»Sind die Einheimischen freundlich?«
    Â»Keine Ahnung. Bin nie einem begegnet. Der Kandidat für Leed West ist irgendwie ein Arsch.«
    Und so machten sie weiter, kicherten und flirteten. Ich folgte ihnen und Alex folgte mir. Er war ihm nicht einmal vergönnt, die Kartoffelwaffeln zu tragen; er hielt in einer Hand das Raumspray, in der anderen das Mückenspray. Er latschte herum wie wohlduftende Ungezieferbekämpfung und versuchte, nicht so auszusehen, als versuche er, mit uns mitzuhalten. Er fiel so weit zurück, dass ich hin und wieder vergaß, dass ich ihn ignorierte.
    Jinn und Tom fanden eine Bank vor dem einzigen Hotel im örtlichen Planetensystem und ließen sich darauf nieder. Jinn setzte sich aufrecht, die Arme um die Knie geschlungen, und ich sah, dass sie ihren Charme spielen ließ. Die schottische Geografie und die Sommerferien hatten einen Abstand zwischen ihr und dem gloriosen Nathan Baird geschaffen und sie war bereit für eine Urlaubsromanze. Ich freute mich sehr. Als Alex an mir vorbeischlurfte und Anstalten machte, sich zu ihnen auf die Bank zu setzen, streckte ich blitzschnell meinen Arm aus, um ihn daran zu hindern. Er ließ das Insektenspray fallen und es rollte geräuschvoll auf dem Asphalt hin und her.
    Ich hob es auf und schob es ihm wieder in die Hand. Er betrachtete mich argwöhnisch.
    Ich zeigte auf das Stück Rasen vor dem Hotel. Gehorsam ließ er sich aufs Gras plumpsen und ich setzte mich ganz elegant im Schneidersitz neben ihn.
    Wir vermieden es fünf Minuten lang, einander anzusehen, indem wir demonstrativ Westküstenluft einatmeten und die Aussicht bewunderten.
    Â»Du redest nicht viel«, sagte Alex nach einer Weile.
    Â»Ich tu’s, wenn ich will.«
    Â»Wann ist das?«
    Â»Wenn ich etwas zu sagen habe. Etwas, das es zu sagen lohnt, meine ich. Du weißt schon.«
    Und da saß ich und versuchte, cool zu sein, und vermasselte es mal wieder. Ich fand sowieso, dass er ein Arsch war, deswegen weiß ich nicht, warum ich cool wirken wollte. Ich glaube, ich wollte nur, dass irgendjemand dachte, ich sei cool. Auch wenn es Alex Jerrold war. Der zwei Jahre älter war als ich und ein Depp. Woran sich nichts mehr ändern ließ. Wenn man zwölf war, war alles zu spät. Ich zitterte und hoffte, dass ich es in den nächsten zwölf Monaten oder so zu müheloser verbaler Eleganz bringen würde.
    Â»Findest du es nicht leichter, beim Gehen zu reden?«, fragte er.
    Â»Ja …«
    Â»Außerdem ist es auch leichter, dabei nicht zu reden.«
    Â»Ja …«
    Â»Ich finde einfach, dass es leichter ist, wenn man geht. Alles.«
    Â»Hm?«
    Â»Also, hast du Lust auf einen Spaziergang?«
    Und so marschierte ich schließlich zehn Tage lang mit Alex Jerrold durch buschige Hügel und versuchte, Jinn und Tom Raum zu geben, gleichzeitig jedoch Alex nicht auf falsche