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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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standen
hinter ihr Schlange, um mir auch noch schnell eins zu verpassen. Doch da
schritt das Rotgesicht im Lodenmantel ein. Er sah zufrieden und ungeduldig aus.
    „Das reicht jetzt“, knurrte er. „Der
gehört mir genauso wie Fernèse. Ich werd mich schon um ihn kümmern.“
    Der Handel war offenbar perfekt. Die
Killer brummten etwas und gingen mit ihrer Chefin hinaus. Der Deutsche
begleitete die drei. Ich hörte, wie ein Motor gestartet wurde. Das Auto mußte
irgendwo in der Nähe versteckt gewesen sein. Rotkartoffel kam zurück, ein
Lächeln auf den Lippen. „Die sind wir los“, seufzte er. „Endlich haben sie das
Feld geräumt, und wir können uns vernünftig unterhalten.“
    Er blies die Lämpchen aus. Der
Petroleumgestank wurde noch intensiver. Mir kam das verflucht symbolisch vor.
Der Deutsche ging zu einem der Fenster und öffnete die wurmstichigen Läden.
Graues Licht drang herein. Der Tag dämmerte bereits. Rotkartoffel kam zu mir
und befreite mich von dem rostigen Draht, der meine Bewegungsfreiheit so
schmerzhaft einschränkte. Als er dabei die Wunde an meinem Arm berührte,
stöhnte ich auf.
    „Sie erinnern mich daran“, sagte er,
„daß Ihr Arm neu verbunden werden muß. Und zwar mit etwas anderem als einem
Taschentuch!“
    Mit dem Fuß beförderte er den Draht in
eine Ecke. Dann ging er zum Tisch und schob mit beiden Händen wie mit Schaufeln
meine Habseligkeiten zusammen.
    „Nehmen Sie Ihre Sachen an sich“,
forderte er mich auf. „Nur der Revolver fehlt. Mademoiselle Lamour hat ihn
mitgenommen. Ah, da ist noch etwas, das Ihnen gehört...“ Er gab mir die kleine,
rote Schachtel. Ich hielt sie in der Hand, mein Blick wanderte zu dem roten
Gesicht des Mannes, und ich sah ihm tief in seine Augen. Bewundernd stellte ich
fest:
    „Sie haben einen scharfen Blick,
Monsieur!“
    „Nun ja“, erwiderte er geschmeichelt
und verzog den Mund, halb bescheiden und halb amüsiert. „Das bringt mein Beruf
so mit sich. Im Laufe der Zeit habe ich so viele komische ..
    „Den Spruch kenne ich“, sagte ich
lachend, „Sie brauchen ihn gar nicht zu beenden.“
    Auf wackligen Beinen ging ich noch ein
wenig näher zu dem geheimnisvollen Deutschen. Ich zögerte, dann wagte ich den
Vorstoß. Ein bißchen waghalsig, sicher; aber nachdem er mich so gut durchschaut
hatte, sagte ich mir, könnte ich ihm beweisen, daß auch ich nicht auf den Kopf
gefallen war.
    „Ich hatte Ihnen den Spitznamen
,Rotkartoffel’ gegeben“, begann ich. „Könnte es sein, daß ich Sie in... sagen
wir... in ,Blutiges Steak’ umtaufen muß?“
    „Sie sind wirklich sehr amüsant,
Monsieur Burma“, erwiderte er lachend. „,Blutiges Steak’ ist nicht schlecht.
Schmeckt mir viel besser als Kartoffeln! Aber wie kommen Sie auf die Idee...“
    „Ein Mann ist Ihnen gefolgt. Ich weiß
nicht warum, aber Sie wollten nicht, daß er herausfand, wohin Sie nach Dédés
Besuch in Ihrem Hotel gehen würden. Sie hätten Marc Covet — den Mann, der Sie
beschattet hat — einsperren lassen können. Sie haben’s nicht getan. Darüber
hinaus...“
    Ich reichte ihm die Instruktionen der
Erdölgesellschaft, die für den Agenten M5 bestimmt waren.
    „Ein richtiger Gestapo-Mann hätte
seinen Verfolger nicht geschont“, sagte ich. „Und der richtige Agent M5 hätte
dieses Dokument verbrannt.“
    „Stimmt, ich bin nicht M5“, gestand er
und nahm das Papier an sich. „Es gab da einen... Irrtum bei der Post. Irgendein
zerstreuter Briefträger. So was kommt vor.“
     
    * * *
     
    Es ging mir schon besser. Die Wunde
war gereinigt und neu verbunden, mit richtigem Verbandszeug und nicht mit einem
gebrauchten Taschentuch. Blutiges Steak war in die Stadt in die Apotheke
gegangen und hatte außerdem auch in einem Lebensmittelgeschäft eingekauft. Denn
er starb vor „Kohldampf“, wie er es ausdrückte. Und wirklich, er hatte einen
gesunden Appetit. Da er offensichtlich gut bei Kasse war, hatte er leicht alles
bekommen, was er wollte. ,Zum Glück’, sagte ich zu mir und dachte dabei nicht
in erster Linie ans Fressen.
    „Sehen Sie“, sagte er, nachdem wir
unsere kalte Mahlzeit beendet hatten, „dieser Unglückliche...“ Er wies auf
Victor Fernèse, der unbeweglich auf einer Kiste in der Zimmerecke saß.
„...dieser Unglückliche hat tatsächlich ein neues Bohrverfahren entwickelt.
Davon haben einige Geheimdienste Wind bekommen. Und als man sich klar darüber
wurde, daß er nicht verrückt war — Ironie des Schicksals: Kurz darauf sollte
er’s werden!

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