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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Aktentasche.
    „Also, hören Sie, Kommissar!“ rief ich
tadelnd. „Lassen Sie das Fluchen und seien Sie still! Denken Sie, was Sie
wollen, aber halten Sie die Klappe! Der Handel gefällt mir auch nicht. Keine
sehr erfreuliche Geschichte, aber... Ja, verdammt nochmal!“ Ich beschloß, mit
einem Wutausbruch von meiner Verlegenheit abzulenken. „Ich muß schließlich
leben! Eine ganze Nacht war ich im Besitz dieser Briefe. Und da ich plötzlich
an meinen Lebensabend denken mußte und ich das Gefühl hatte, daß die Briefe von
ganz besonderer Bedeutung waren, hab ich sie fotografiert.“
    „Das war eine blendende Idee, Monsieur
Burma“, sagte der Deutsche mit den roten Wangen. „Ich hab’s Ihnen ja schon
angedeutet, die Briefe sind ohne das Seidenbändchen nur noch die Hälfte wert.
Unsere Dechiffrierabteilung wird ‘ne Menge Arbeit damit haben. Ob sie’s
schaffen oder nicht, soll uns egal sein. Das Geld, das ich Ihnen gebe, ist für
die Kopie der Briefe. Besser gesagt, die Hälfte der Summe. Eine ganz anständige
Summe, übrigens“, fügte er hinzu. „Die andere Hälfte bekommen Sie, wenn der
Film entwickelt ist. Erst dann wissen wir, ob es sich tatsächlich um die Briefe
von Victor Fernèse handelt.“
    Er warf viele seltsame Bündel auf den
Tisch. Alles durchgeschnittene Banknoten.
    „Solch ein Geldschein ist unserem
Dreifach-B zum Verhängnis geworden“, murmelte ich nachdenklich.
    „Nur keine schwarzen Gedanken“, lachte
der Deutsche, daß seine Steak-Wangen wackelten. „Wenn Sie die andere Hälfte
haben, können Sie sich mit vielen Tänzerinnen vergnügen, die noch viel
attraktiver sind als Jackie Lamour. Apropos Jackie Lamour…“
    Er kicherte, nahm seine Brille ab und
fing an, die Gläser zu putzen.
    „Der ist was Tolles passiert! Um sie
loszuwerden, mußte ich ihr Geld geben. Ganze Scheine, die ich mir aus Gründen
der Sparsamkeit wieder holen wollte, indem ich sie zum Beispiel ins Gefängnis
werfen lassen wollte. Von der deutschen Polizei, versteht sich. Doch als ich
wieder nach Marseille kam, war das schon passiert. Sie war, zusammen mit den
Gebrüdern Clément, von Kommissar Faroux’ Leuten in ihrer eigenen Villa
festgenommen worden. Für mich war es ganz einfach, an das Geld heranzukommen...
und an all das, was sie bei ihrer Verhaftung sonst noch so bei sich hatte. Dédé
und Paulot sind in Chave sicher verwahrt, aber sie... Nein, das ist zu
komisch... Ich habe sie zur Gestapo gebracht, unter dem Vorwand, sie der
französischen Polizei auszuliefern. In Wirklichkeit wollte ich in Ruhe
überlegen, was ich mit ihr machen sollte. Und wissen Sie, was dann passiert
ist? Die Gestapo hat in ihrer Tasche einen spanischen Revolver gefunden, den
sie schon lange gesucht hatten. Mit dieser Waffe ist ein Offizier der Gestapo bei
der Schießerei am Alten Hafen getötet worden! Stellen Sie sich vor, was das für
eine Figur war, diese Tänzerin. Tanzte sozusagen auf mehreren Hochzeiten. Ich
konnte wirklich nichts für sie tun. Und ich wollte es auch nicht, da ich solche
Attentate verabscheue. Nun, man hat sie... Können Sie sich an ihre Brust
erinnern, Monsieur Burma?“ Ich nickte lebhaft. „So verführerisch sieht sie aber
jetzt nicht mehr aus, mit zwölf kleinen Löchern. Die Würmer werden keinen Spaß
an ihr haben...“
     
    * * *
     
    Florimond Faroux und der Deutsche
waren kaum die Treppe hinuntergegangen, als die Sirenen heulten. Bombenalarm!
Mir kam es gar nicht in den Sinn, in den Luftschutzkeller zu gehen. Müdigkeit
hatte mich überwältigt, eine unbestimmte Melancholie. Die zerschnittenen
Geldscheine lagen vor mir auf dem Tisch. Morgen würde ich sie verstecken, wenn
nicht eine Bombe... Wie zur Bestätigung erzitterte das Haus. Eine weitere
Explosion folgte. Ohrenbetäubend. Ich dachte, daß diese verdammte Nähe zur
Fabrik mich vor unnötigen Geldausgaben bewahren würde. Wenn es so weiterging,
würde ich das Ende des Krieges nicht mehr miterleben, und ich müßte mir keine
Fahne für die Feierlichkeiten kaufen... Trotzdem kam mir nicht der Gedanke, den
Keller aufzusuchen. Es erschien mir alles so verdammt unnütz. Ich setzte mich
wieder in meinem Sessel.
    Der Ofen brummte. Die Flugzeuge über
dem Wohnblock auch. Ich hörte, wie eine Nachbarin ihre Tür zuschlug und die
Treppe hinunterrannte. Bestimmt hielt sie ihr Baby in den Armen, wie jedesmal,
wenn Alarm gegeben wurde. Das Kind weinte. Ich dachte daran, daß auch
Dreifach-B früher einmal ein Baby gewesen war. Und Dédé und Paulot und

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