Das fünfte Zeichen
Bevor die beiden sie gefunden haben? Woher wussten Sie …? «
» In dem Wasser, das bei uns von der Decke tropfte, war Blut. «
» Oh? Wie haben Sie das erkannt? «
Anders Nygård seufzte übertrieben genervt und legte Vibeke eine Hand in den Nacken: » Es war doch wohl rot, oder? «
» Nun, es gibt andere Dinge, die rot sind. «
» Das ist richtig «, sagte Vibeke. » Es war auch nicht die Farbe. «
Anders Nygård blickte sie überrascht an. Sie lächelte, doch Harry bemerkte, dass sie der Hand ihres Partners auswich.
» Ich habe mal mit einem Koch zusammengelebt. Wir hatten ein kleines Restaurant. Da habe ich das eine oder andere über Nahrungsmittel gelernt. Unter anderem, dass Blut Eiweißstoffe enthält und verklumpt und gerinnt, wenn man es in über fünfundsechzig Grad warmes Wasser gibt. So wie ein Ei beim Kochen platzt. Als Anders die Klümpchen probierte und sagte, sie schmeckten nach Ei, war mir klar, dass es Blut sein musste. Und dass da was Schlimmes geschehen war. «
Anders Nygårds Mund öffnete sich leicht. Er war plötzlich blass unter seiner Bräune. Wie ein Fremder.
» Guten Appetit «, murmelte Harry und ging.
KAPITEL 5
Freitag. Underwater
H arry hasste Kneipen, die ein bestimmtes Motto hatten. Irische Pubs, Oben-ohne-Bars, Internetcafés oder –am allerschlimm s ten –Promibars mit den Porträts notorischer Stammgäste an den Wänden. Das Motto des Underwater war eine diffuse maritime Mischung aus Tauchsport und Holzbootromantik. Irgendwann beim vierten großen Bier hörte Harry auf, sich über die Aqu a rien mit dem perlend grünen Wasser aufzuregen, über die Taucherhelme und die rustikalen Holzaccessoires. Es hätte schlimmer sein können. Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatten plötzlich einige angefangen, im Stehen Opernarien zu singen, und für einen Moment hatte er das Gefühl gehabt, die Musik habe die Wirklichkeit eingeholt. Mit einem Blick versicherte er sich, dass diesmal keiner der vier Gäste Anstalten machte zu singen.
» Urlaubsflaute? «, fragte er die Bedienung, die ihm das nächste Bier brachte.
» Es ist erst sieben. « Sie gab ihm auf einen Hunderter statt auf einen Zweihunderter zurück. Wenn er gekonnt hätte, wäre er ins Schrøder gegangen. Aber er hatte eine vage Ahnung, dass er dort nicht willkommen war, und nicht den Nerv, sich das bestätigen zu lassen. Nicht heute. Er erinnerte sich bruchstüc k haft an eine Episode am Dienstag. Oder war es Mittwoch gewesen? Jemand hatte eine alte Wunde bei ihm aufgerissen und von seinem Fernsehauftritt erzählt, bei dem er als Held der norwegischen Polizei bezeichnet worden war, weil er in Sydney einen Mörder erschossen hatte.
Ein Kerl hatte dumme Kommentare von sich gegeben und ihm Dinge an den Kopf geworfen, die zum Teil stimmten. War es zu einem Handgemenge gekommen? Das war nicht auszuschließen, doch die Kratzer, die er beim Aufwachen auf seinen Handkn ö cheln und auf dem Nasenrücken entdeckt hatte, konnten natürlich auch von einem Sturz auf der Dovregata stammen.
Das Handy klingelte. Harry warf einen Blick auf das Display. Wieder nicht Rakel. » Hallo, Chef. «
» Harry, wo bist du? « Bjarne Møller hörte sich besorgt an.
» Unter Wasser. Was gibt ’ s? «
» Wasser? «
» Wasser, Brackwasser, Sodawasser … Sie hören sich –wie sagt man? –erregt an. «
» Bist du betrunken? «
» Nicht genug. «
» Was? «
» Ach nichts. Der Akku ist bald leer, Chef. «
» Einer der Beamten am Tatort wollte einen Bericht über dich schreiben. Er sagte, du seist sichtlich betrunken zum Dienst erschienen. «
» Wollte? «
» Ich habe ihm das ausreden können. Warst du betrunken, Harry? «
» Natürlich nicht, Chef. «
» Bist du vollkommen sicher, dass du die Wahrheit sagst, Harry? «
» Bist du vollkommen sicher, dass du das wirklich wissen willst? «
Harry hörte Møllers Stöhnen am anderen Ende.
» So kann das nicht weitergehen, Harry. Irgendwann muss ich die Notbremse ziehen. «
» Okay, dann schaff mir den Fall vom Hals. «
» Was? «
» Du hast mich doch verstanden. Ich will mit diese m S chwein nicht zusammenarbeiten. Setz einen anderen an meine Stelle. «
» Wir haben nicht genug Leute, um … «
» Dann solltest du mir lieber kündigen, ist mir sowieso schei ß egal. «
Harry steckte das Telefon in die Innentasche seiner Jacke. Er hörte Møllers Stimme sanft an seiner Brustwarze vibrieren. Eigentlich ein gutes Gefühl. Er leerte den Rest seines Glases, stand auf und
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