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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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erzählt hatte. Er wusste, dass er nur einen Versuch hatte und dass er das Übel würde an der Wurzel packen müssen, es mit einem Ruck würde ausreißen müssen. Sollte ihm das nicht gelingen, wäre er erledigt.
    Deshalb hatte Harry in aller Stille begonnen, eine lückenlose Indizienkette zu sammeln. Doch das hatte sich als schwieriger erwiesen, als gedacht. Da er nicht wusste, mit wem er offen reden konnte, hatte er in den Archiven gestöbert, wenn die anderen gegangen waren, sich ins Intranet gehackt und E-Mails sowie Listen über empfangene und selbst geführte Telefonate all derjenigen ausgedruckt, mi t d enen Waaler sich abgab. An den Nachmittagen hatte er im Auto Herbert ’ s Pizza am Youngstor get überwacht, da er vermutete, dass der Waffenschmuggel mit Hilfe der dort verkehrenden Neonazis abgewickelt wurde. Als das zu keinem Ergebnis führte, hatte er Waaler und einige seiner Kollegen beschattet. Er hatte sich auf diejenigen konzentriert, die wie Waaler oft auf dem Schießplatz in Økern trainierten. Er war ihnen mit reichlich Abstand gefolgt, hatte vor Kälte schlotternd vor ihren Häusern gesessen und war im Morge n grauen todmüde zu Rakel ins Bett gekrochen und hatte ein paar Stunden geschlafen, bevor er wieder zur Arbeit ging. Nach einer Weile hatte Rakel ihn gebeten, an Abenden, an denen er Doppelschicht fuhr, zu Hause in seinem eigenen Bett zu schlafen. Er hatte ihr nicht erzählt, dass seine Nachtschichten off-the-record waren, off-Dienstplan, off-Vorgesetzte, off-fast-alles.
    Er hatte auch begonnen, off-Broadway zu arbeiten. War erst einen Abend in Herbert ’ s Pizza eingekehrt. Dann noch einen. Hatte mit den Typen dort gesprochen. Bier ausgegeben. Natü r lich wussten die, wer er war, aber Freibier war Freibier, und so hatten sie getrunken, gegrinst –und die Klappe gehalten. Mit der Zeit hatte er begriffen, dass sie nichts wussten. Trotzdem hatte er es weiter dort versucht. Er hätte nicht sagen können, warum. Vielleicht, weil es ihm das Gefühl gab, der Höhle des Löwen nah zu sein und er nur genug Geduld haben musste, bis der Löwe herauskam. Doch weder Waaler noch einer seiner Kollegen war aufgetaucht. So hatte er schließlich wieder Waalers Haus überwacht. In einer dieser Nächte war bei minus zwanzig Grad und menschenleeren Straßen ein junger Mann in dünner, kurzer Jacke mit dem typisch unsicheren Gang eines Junkies an seinem Auto vorbeigekommen. Er war vor Waalers Tür stehen geblieben, hatte sich rechts und links umgeblickt und war dann mit einer Brechstange auf die Tür losgegangen. Harry war sitzen geblieben. Endlich geschah etwas Ungewöhnliches. Der Mann stand anscheinend zu sehr unte r D rogen, um das Brecheisen richtig anzusetzen. Die Tür splitterte mit großem Krach, als er sich gegen das Eisen stemmte. Der Mann ging rücklings zu Boden und landete auf dem Schneehaufen im Vorgarten, wo er liegen blieb. Hinter einigen Fenstern wurde das Licht eingeschaltet. Die Gardine bewegte sich. Harry wartete ab, doch nichts passierte. Zwanzig Grad minus. Der Junge rührte sich nicht. Im Nachhinein hatte sich Harry oft gefragt, ob er etwas hätte tun müssen. Der Akku seines Handys war leer, so dass er keinen Notarzt hatte rufen können. Verfluc h ter Junkie. Minus einundzwanzig. Scheiß Junkie. Natürlich hätte er einfach zur Notaufnahme fahren können, um dort Bescheid zu geben. Am Ende war die Haustür aufgegangen. Es war Waaler. Er hatte komisch ausgesehen in Morgenmantel, Stiefeln, Mütze und Handschuhen. Er hatte zwei Wolldecken bei sich. Harry hatte ungläubig zugesehen, wie Waaler Puls und Pupillen des Junkies überprüft und ihn dann in die Decken gewickelt hatte. Schließlich hatte er vor der Tür gewartet, die Arme um den Körper geschlungen und zu Harrys Auto herübergeschaut. Ein paar Minuten später war der Krankenwagen um die Ecke gebogen und hatte vor der Tür gehalten.
    In dieser Nacht war Harry nach Hause gekommen, hatte sich in seinen Ohrensessel fallen lassen, geraucht und Raga Rockers und Duke Ellington gehört. Am Morgen war er zur Arbeit gegangen, obwohl er seit achtundvierzig Stunden die Kleider nicht mehr gewechselt hatte.
    An einem Abend im April hatten Harry und Rakel ihren ersten Streit gehabt.
    Er hatte im letzten Augenblick eine Fahrt zur Hütte abgesagt, und Rakel hatte ihm vorgeworfen, dass er jetzt schon zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit ein Versprechen brach. Ein Versprechen, das er Oleg gegeben hatte. Harry beschuldigte sie daraufhin, Oleg nur

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