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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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erfahren und selbstsicher. Sie besaß das Auftreten einer waschechten Journalistin – von jemandem, der das lebte, was ich anstrebte. Sie sprach über die alltäglichen Anforderungen beim Schreiben für eine Lokalzeitung, die Rolle der Redakteure und des Herausgebers und über das, was eine gute Story ausmacht. Sie machte ihre Sache wirklich gut, war witzig und konnte über sich selbst lachen. Nach ihrem Vortrag gab es bei Kaffee und Kuchen die Möglichkeit, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ich ergriff die Gelegenheit, um sie verlegen zu fragen, ob ich ihr ein paar Artikel von mir schicken dürfte. (Monate später erzählte sie mir im Bett, dass sie mich sofort mochte, weil ich so unaufdringlich gewesen sei und mich nicht – wie so viele andere Studenten, die sie getroffen hatte – für eine Reinkarnation von Tom Wolfe zu halten schien.) Sie gab mir ihre E-Mail-Adresse und war ausgesprochen geduldig mit meinem überambitionierten, mit Adjektiven überladenen Geschreibsel. Schnell fügten wir unseren Mails kleine Witze hinzu, gaben uns Lese-Empfehlungen oder fragten den anderen nach seiner Meinung zu Filmen oder Büchern. Schon bald bedurfte es keiner Arbeitsproben oder Anmerkungen mehr im Anhang als Vorwand, uns zu schreiben, und sie beauftragte mich mit ersten Buch-, DVD- und Plattenkritiken.
    Wir küssten uns zum ersten Mal in der Bar gegenüber der Redaktion.
    Und dann kam der Abend, an dem ich ihre Eltern traf. »Wow«, staunte ich, als wir in Sammys Auto die Zufahrt hinauffuhren, die sich wie eine gefühlte Ewigkeit hinzog. Lakeview, das Zuhause der Familie Myers, war ein Vierzehn-Schlafzimmer-Anwesen im edwardianischen Stil, versteckt hinter einem Ulmenhain. Solche Ausmaße kannte ich bis dahin nur von Hotels oder College-Gebäuden. »Lass dich nicht einschüchtern«, ermutigte mich Sammy mit einem Kuss auf die Wange, als sie an der Tür klingelte.
    Das war leichter gesagt als getan. Zu viert speisten wir in einem eichengetäfelten Esszimmer am Ende eines Tisches, an dem locker noch zehn weitere Personen Platz gehabt hätten. Ein Hausmädchen trug die verschiedenen Gänge auf, und ich bemühte mich, trotz der flackernden Kerzen, der Kristallgläser und des schweren Porzellans entspannt und weltmännisch zu erscheinen.
    Doch Sammys Vater war die Liebenswürdigkeit in Person – während des Essens und auch später, als wir in seinem Arbeitszimmer mit einer Karaffe Single Malt am Kamin saßen. Mit den Worten »Ein Schotte dürfte das zu schätzen wissen« reichte er mir einen Tumbler, der gut und gerne zwei Pfund wog und in dem ich mir die Hände hätte waschen können. Er stellte einige dezente Fragen zu meinem Werdegang sowie zu meiner Familie in Schottland, erkundigte sich, was mich nach Toronto und schließlich nach Saskatchewan geführt hätte, und bat mich, mit meinen neunundzwanzig Jahren, sogar um eine Einschätzung bezüglich eines Radiosenders, den er zu kaufen erwog. Er wirkte umgänglich und gastfreundlich. Unser Gespräch schien nicht im Geringsten das zu sein, was es eigentlich war: ein Verhör.
    Erst sehr viel später sollte ich begreifen, dass der gute alte Sam das, was ich ihm an jenem Abend anvertraut hatte, nutzte, um sich umfassend über meine Vorgeschichte zu informieren. Und zwar so umfassend, wie man sich über die Vorgeschichte von Donald R. Miller überhaupt informieren konnte.
    Was zugegeben nicht sonderlich erschöpfend gewesen sein dürfte.
    Robertson und ich gingen mit unseren Kaffeetassen zum Poolhaus, einem eingeschossigen Betonsteingebäude, das etwa zweihundert Meter vom Haupthaus entfernt lag und sich in zwei Hälften teilte: eine Umkleidekabine mit Duschen, Toiletten und Holzbänken sowie eine Werkstatt, die auch als Abstellraum für Garten- und Sportgeräte diente. In der Werkstatt, die wir nun betraten, standen ein alter Grill und der große Rasenmäher, den Danny, unser Gärtner, im Sommer benutzte. An der Wand waren Regale und Haken voller Werkzeuge angebracht. Darunter lehnten diverse Baseball- und Tennisschläger. Auf der Tiefkühltruhe lagen die schneebedeckten Überreste von Herby. In dem unbeheizten Gebäude war es so kalt, dass unser Atem kondensierte. Ich starrte auf die Wand, um mir den grausigen Anblick zu ersparen. Robertson setzte seinen Kaffee ab, hob die grüne Plane an und pfiff durch die Zähne.
    »Junge, Junge. An dem armen Kerlchen hat aber jemand ganze Arbeit geleistet.«
    »Allerdings. Glauben Sie, dass ein Wolf dafür verantwortlich ist? Oder

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