Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
jedes zweite Wort »Scheiße« oder »Wichser«. Er war weder Celtic- noch Rangers-Fan. Er benutzte im Unterricht Wörter, die wir nicht verstanden. Er unternahm keinen Versuch, seine Intelligenz zu verstecken. Sein ganzes Wesen war uns ein verrücktes, nicht zu bestimmendes Mysterium.
    O ja, der Professor war in nahezu jeder Beziehung der ideale Prügelknabe. Wie gemacht dafür …
    … ihm die Bücher aus den Händen zu schlagen.
    … ihm Pimmel und Eier in die Hefte und auf die Tasche zu schmieren.
    … ihn mit Eisbeinen und Pferdeküssen zu malträtieren.
    … ihm ein paar auf die Fresse zu hauen.
    … ihm in die Nüsse zu treten.
    Der Professor war erst seit ein paar Monaten bei uns auf der Schule. Vorher hatte er irgendeine Privatschule besucht. Eines Morgens – er war gerade neu bei uns – kam er Banny und mir auf dem rappelvollen Flur vor den Kunsträumen entgegen. Als er auf unserer Höhe war, drehte sich Banny zu ihm um und spuckte ihm einen dicken, gelben Flatschen Rotze direkt ins Gesicht. Die Miene des Professors, als der Flur vom Gelächter der übrigen Schüler widerhallte, drückte weder Wut aus noch Scham oder Schmerz. Er wirkte einfach nur perplex. Überrascht, dass eine Welt wie diese existierte und er darin leben musste.
    Trotzdem schaffte es Docherty, eine gewisse Haltung zu bewahren. Eine Haltung, die nicht unbedingt Selbstvertrauen, aber doch eine gewisse Würde ausstrahlte. Im Gegensatz zu uns Gleichaltrigen schien er zu wissen, dass die Schmach der Schulzeit eines Tages vorbei sein und sein wahres Leben beginnen würde, ein Leben im Licht der Sonne und der Vernunft, weit weg von diesem schrecklichen Ort voller willkürlicher Gewalt und Grausamkeit. Und vielleicht war es diese Haltung, die Banny mehr als alles andere wahnsinnig machte.
    »Komm mit«, zischte Banny und schob sich durch das Gedränge auf den Professor zu. Die Muskeln seiner Oberschenkel spannten sich unter der engen, changierenden Sta-Prest-Hose, zu der er wie immer eine schwarze Harrington-Bomberjacke trug. Unsere Uniform.
    Banny schlich sich von hinten an, hob den rechten Arm und schlug dem Professor mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, woraufhin dieser mit dem Gesicht gegen das Schwarze Brett knallte und seine Brille verlor. Wortlos bückte er sich, um sie aufzuheben. Banny riss das Plakat herunter, das Docherty betrachtet hatte. »Schulorchester? Was für ein Instrument spielst du denn, Professor? Die Schwanzflöte vielleicht, du beschissene Schwuchtel?!« Tommy und ich lachten. Ein paar andere in der Nähe ebenfalls. Der Professor schluckte nur und blickte an seinem Peiniger vorbei, als gäbe es da etwas Interessanteres zu sehen. »He!«, brüllte Banny und schubste ihn. »Kannst du mich hören, du schwules Weichei?«
    Docherty nickte.
    »Na dann los. Sag uns, dass du die Schwanzflöte bläst.«
    Docherty setzte sich die Brille auf, schob sie mit dem Zeigefinger die Nase hoch und sagte nichts.
    Banny packte ihn bei der Krawatte und zog ihn zu sich heran. Er überragte ihn um mehr als einen Kopf. »Docherty, du Tunte, erzähl den Arschlöchern hier sofort, dass du ihnen die Flöten blasen willst, oder ich stopf dir dieses beschissene Poster ins Maul.«
    »Lass mich in Ruhe«, murmelte Docherty.
    »Du unverschämter kleiner Wichser.« Banny schlug ihm das Poster ins Gesicht, packte ihn am Hals und stopfte ihm die gelb-violette DIN-A4-Matritze in den Mund.
    »Los, wehr dich!«, riefen ein paar Leute.
    »Friss! Friss das, du blöder, kleiner Hinterlader, du!«, brüllte Banny.
    » BANNERMAN! «
    Als wir uns umdrehten, sahen wir Adventure Kit Fulton, unseren Werkkunde-Lehrer, der als harter Hund galt, auf uns zustiefeln. Adventure Kit wurde er wegen seines Gürtels genannt, an dem er alles Mögliche mit sich herumschleppte: ein Maßband, Schlüssel, eine Kneifzange und diverses anderes Zeug. Fulton packte Banny an der Jacke und zog ihn vom Professor weg. »Alles in Ordnung, Craig?«, fragte er Docherty.
    »Ja, Sir.«
    »He, Hände weg, Mann«, rief Banny und schlug nach Fultons Hand. Die Gaffer hielten den Atem an. Oha, Banny war also verrückt genug, sich mit Fulton anzulegen.
    Der verpasste ihm eine schallende Ohrfeige und zog ihn zu sich heran. »Was hast du gesagt, Söhnchen?«, fragte er Banny mit zusammengebissenen Zähnen.
    So war das 1982 in Schottland.
    Die beiden – ungefähr gleich groß – starrten einander feindselig in die Augen. Auf dem Flur herrschte Stille. Banny hielt Fultons Blick stand, bis der Gong

Weitere Kostenlose Bücher