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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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geschliffenem Kristall und Kübel mit Eis über den Weg.
    Unten am See hatte am Tag zuvor eine Gruppe Pferdeknechte, Kochgehilfen, Kammerdiener und Wirtschafter mit erstaunlicher Sachkenntnis eine kleine Bühne gezimmert und Stuhlreihen davor aufgebaut.
    Chaisen rollten die Auffahrt hinauf und hielten vor dem Portal, Diener schleppten Koffer und Reisekistenins Haus, oben an der Freitreppe stand der Haushofmeister, ganz in Weiß gekleidet, und begrüßte die Herrschaften, die die Stufen hinaufschritten.
    Pippa stand in Laurentios Werkstatt vor dem großen Spiegel, den sie aus Wasser und Sonnenstrahlen gewoben hatte, und betrachtete sich unglücklich. Das Kleid aus lichter blaugrüner Seide stand ihr ausgezeichnet, und die Schneiderin hatte alle Rüschen, Bänder und Verzierungen wieder abgetrennt, mit denen Pippa sich vorgekommen war wie eine überreich verzierte Torte. Ihr widerspenstiges Haar war in einen weichen, mit Kämmen hochgesteckten Knoten gelegt, ein paar herausgezupfte Locken umschmeichelten ihr Gesicht. Um den Hals trug sie den kleinen Herzanhänger ihrer Mutter an einem zarten Silberkettchen und an der Hand den schlichten Ring, den Augustin ihr geschenkt hatte. Ihre Schuhe waren erstaunlich bequem, obwohl sie elegant aussahen. Nichts drückte, zwickte oder engte sie ein, und mit ihrem Spiegelbild war sie insgeheim sehr zufrieden. Aber trotzdem war sie unglücklich, fühlte sich vergessen, verraten und gekränkt. Alle waren nur mit dem Feiertag beschäftigt, und Augustin hatte sich den ganzen Tag noch nicht bei ihr blicken lassen. Er konnte es doch unmöglich vergessen haben! Sie seufzte und ließ den Spiegel verschwinden.
    »Kommst du, Philippa Saffronia?« Ihr Vater stand an der Tür. Zur Feier des Tages trug auch er nicht seine Kutte, sondern einen eleganten Anzug. Er drehte unbehaglich den Kopf und fingerte an seinem verrutschten Halstuch herum.
    »Ich komme, Papa«, sagte sie und knotete ihm das Tuch neu. »Hast du Gustl gesehen?«
    Laurentio verneinte. Er wirkte merkwürdig nervös und noch zerstreuter als sonst.
    »Soll ich dir nachher beim Feuerwerk helfen?«, fragte Pippa.
    »Nein danke, heute nicht«, erwiderte der Zauberer geistesabwesend. »Das ist lieb von dir. Morgen früh vielleicht?«
    Pippa schüttelte den Kopf und gab es auf, ein vernünftiges Wort mit ihrem Vater reden zu wollen.
    Laurentio geleitete sie ins bereits gefüllte Festzelt und an ihren Tisch, wo Augustin schon mit einer schwerhörigen Großtante Konversation betrieb. Er erblickte Pippa, strahlte und sprang auf. »Du bist meine Rettung«, flüsterte er ihr ins Ohr, nachdem er galant ihre Hand geküsst und ihr den Stuhl zurechtgerückt hatte. »Sie ist wirklich stocktaub und ich fing gerade an, heiser zu werden.«
    Pippa legte den Kopf auf die Seite und blickte ihn erwartungsvoll an. Nun musste er doch etwas zu ihr sagen.
    Augustin lächelte sie beinahe so geistesabwesend an wie vorhin Laurentio und kratzte mit seiner Gabel Muster ins Tischtuch. Pippa schnaufte und wandte sich empört ab, um ihm die kalte Schulter zu zeigen und sich ihrem anderen Tischnachbarn zu widmen, dem alten Herrn von Siebenberg.
    Das laute Plaudern und Stühlerücken, Gläserklirren und Lachen verstummte, als eine Fanfare ertönte, die das Königspaar ankündigte.
    König Ferdinand und Königin Joséphine traten ein und nahmen auf dem erhöhten Thronsitz Platz. Der König hob die Hand und begann zu sprechen, aber durch das erwartungsvolle Murmeln und die Geräusche, die von draußen ins Zelt drangen, war kaum etwas von seinen Worten zu verstehen.
    Er wandte sich um und sagte etwas zu seinem Zauberer, der zusammenfuhr und eine fahrige Geste vollführte.
    »... Dank, Laurentio«, dröhnte die königliche Stimme durch das Zelt. »Liebe, geehrte Gäste, heute ist ein besonderer Tag, und wir, meine Gemahlin und ich, freuen uns sehr, dass ihr alle erschienen seid, um ihn mit uns zu feiern. Wenn man bedenkt, wie erschreckend unser letztes Fest geendet hat, weiß ich nicht, was ich mehr bewundern soll: euren Mut oder euer schlechtes Gedächtnis.«
    Gelächter. Pippa vergaß ihren Groll, beugte sich zu Augustin und sagte: »Seit wann kann dein Vater denn Reden halten?«
    Augustin neigte sich vor, bis seine Lippen ihr Ohr berührten, küsste sie sanft aufs Ohrläppchen und hauchte: »Er hat viel vom Prinzipal gelernt. Mama findet das großartig!«
    Pippa versank bei diesen Worten ins Nachdenken. Es stimmte, König Ferdinand glich seinem verzauberten Ebenbild bis

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