Das gefrorene Lachen
zeigte auf.
»Bitte, meine Herren!« Der Erzmagier runzelte die buschigen Brauen. »Das Regelwerk verlangt einen Verteidiger. Einer von Ihnen muss sich bereit erklären.«
Der junge Zauberer räusperte sich. »Ich könnte die Verteidigung übernehmen, wenn sonst niemand ...« Seine Stimme verebbte unter dem eisigen Blick des Erzmagiers.
»Junger Mann«, sagte das Oberhaupt der magischen Akademie, »es ist sehr löblich, dass Sie sich für Ihren Mentor und Lehrer einsetzen wollen, aber darf ich Sie daran erinnern, dass Sie selbst dem Hohen Rat seine Verfehlungen gemeldet haben? Ich denke nicht, dass wir unseren Hauptzeugen als Verteidiger einsetzen werden.«
Der junge Zauberer errötete und nickte mit unglücklicher Miene. Der Erzmagier schnaubte ungeduldig. »Also, dann werde ich einen Pflichtverteidiger ernennen müssen. Grundler, das ist Ihre Aufgabe.«
Ein rundlicher, kahlköpfiger Magier, der mit über dem Bauch gefalteten Händen in der ersten Reihe saß und leise schnarchte, wurde von seinem Nachbarn unsanft in die Seite gestoßen. Er schreckte hoch und sagte: »Was? Wie?«
»Pflichtverteidiger«, zischelte sein Nachbar ihm ins Ohr.
»Oh«, sagte Grundler. »Na. Ach du je.« Er begann zu schwitzen und zog ein Tuch aus der Tasche, mit dem er sich den kahlen Kopf und das Gesicht abwischte.
»Bringt den Angeklagten herein«, rief der Erzmagier.
Der junge Zauberer wünschte sich ein Mauseloch herbei, in das er sich hineinzaubern konnte. Aber über dem Tribunal lag ein Schutzbann, der jede Form der nicht vorher genehmigten Zauberei verhinderte – also hätte ihm das Mauseloch nichts genützt.
Zwei kräftige junge Zauberlehrlinge führten den mit Schweigebann belegten und mit Spinnenseide gefesselten Angeklagten herein. Seine Augen blitzten zornig und seine Halsmuskeln waren angespannt. Der junge Zauberer konnte ihm ansehen, dass er böse Zauberflüche ausgestoßen hätte, wäre er nicht gebannt gewesen.
Der Blick des Gefesselten traf auf den jungen Zauberer, und der Zorn darin flammte zu wilder Glut auf. Der junge Mann wich unwillkürlich zurück und klammerte die zitternden Hände ineinander. Er schlug den Blick nieder und schluckte. Sein Lehrer, sein väterlicher Mentor. Er war schuld daran, dass der von ihm früher so sehr Verehrte nun hier in Fesseln vor ein Tribunal geschleift wurde.
Der Ankläger verlas nun die Schrift, die die Verfehlungen des Angeklagten auflistete. Der junge Zauberer hörte nicht zu, denn er kannte die Anklageschrift Punkt für Punkt. Er selbst hatte all dies dem Erzmagier erzählt.
Wie sein Mentor begonnen hatte, die mechanischen Spielereien, für die sein junger Schützling eine solche Liebe hegte, mit mächtigen Zaubersprüchen zu verbinden, derart, dass er Tiere zu halb mechanischen, halb lebendigen Automaten verzaubern konnte. Mit welcher Begeisterung hatte er seinem Schüler vorgeführt, wie eine Maus und eine Katze miteinander Menuett tanzten, während sich kleine Schlüssel tickend in ihren Rücken drehten.
Der Schüler hatte sich halb fasziniert, halb abgestoßen von diesem Zauberwerk gefühlt. Die verwandeltenTiere – von denen nach und nach ein ganzes Dutzend und mehr in den Räumen des Lehrers herumliefen, aßen und schliefen – tranken und vermehrten sich wie normale Lebewesen, aber sie mussten durch die kleinen Schlüssel aufgezogen werden wie mechanische Puppen und verfügten in keiner Weise mehr über einen eigenen Willen. Ihr Herr und Meister, der Mentor des jungen Zauberers, hatte sie zu lebendigen, willenlosen Automaten geformt.
Solcherlei Experimente mochte man als geschmacklos betrachten, und für den einen oder anderen Magierkollegen berührten sie bereits die Grenze zu schwarzmagischem Tun, aber man fand allgemein im Kollegium nichts Verwerfliches dabei und sah keinen Grund, diese Art von Zauberei zu verbieten.
Dann aber überschritt der Mentor des jungen Zauberers die Grenze, die das Tun und Handeln der magischen Akademie im Wirkungskreis der Weißen Kunst verankerte. Er begann menschliche Wesen in ebensolche seelenlosen Automaten zu verwandeln, wie er es vordem mit Mäusen, Tauben und Hunden exerziert hatte.
Das von ihm sogenannte »Material« für seine Versuche besorgte er sich aus dem Schuldturm, dem Armenhaus und dem Gefängnis, später holte er auch elternlose Kinder aus dem Waisenhaus.
Sein Schüler erfuhr nichts von diesen verwerflichen Experimenten, bis eines Tages der Lehrer ihn zu einer komplizierten Anordnung heranzog, die er allein
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