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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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sie ihr Achselzucken einfach nur als Schutz benutzt. Um nicht zu zeigen, dass sie in Wahrheit Angst hat.
    »Was ist mit deinen Prinzipien? Du hast dir doch geschworen …«
    »Prinzipien«, unterbricht sie mich ungeduldig, »sind dazu da, um über den Haufen geworfen zu werden. Man muss daran ausprobieren, ob man immer wieder bereit ist, alles umzuschmeißen, was einem im Leben fest und sicher erschien.«
    »Wie hältst du so eine Lebenseinstellung nur aus?«, gebe ich zurück.
    Sie sieht auf ihre Hände und dann auf meine. Eine Hand löst sich von ihrem Bein und kommt herübergeschwebt, um auf meiner zu landen. Unsere Finger verschränken sich ineinander.
    Diese Geste ist vielleicht das Wichtigste in dieser Nacht. In dem Augenblick, in dem sie geschieht, weiß ich schon, dass ich immer daran zurückdenken werde.

silbermondauge: sie ist mitten in der nacht einfach aufgekreuzt? das ist grenzüberschreitend. meine freundinnen wissen genau, dass sie vorher anzurufen haben, wenn sie mich besuchen wollen. sieh dich bloß vor! eine, die solche grenzen nicht achtet, die einfach steine an dein fenster wirft, obwohl deine klingel ausgestellt ist, die ist zu viel mehr fähig. achte darauf!
    Sie ist eifersüchtig. Ganz klar.
loulouzauber: du malst den teufel an die wand. sie ist wirklich ganz harmlos.
silbermondauge: das kommt darauf an, wie man ›harmlos‹ definiert … hast du ihr von mir erzählt?
loulouzauber: nein
silbermondauge: das beruhigt mich.
loulouzauber: ?
silbermondauge: na, offenbar hast du zu mir mehr vertrauen als zu ihr. sonst wüsste ich doch nicht von ihr, sie aber von mir

    Mein AB springt an.
    »Hi, hier ist Katja. Ich wollt nur sagen … ich wollt dir sagen … also, Mensch, jetzt bin ich ganz von der Rolle. Also, ich hab noch mal nachgedacht. Über das, was wir neulich gesprochen haben, du weißt schon. Ich glaub, ich hab da ein bisschen überreagiert. Jetzt mach ich mir Gedanken. Weil du dich nicht meldest. Ich meine, ich hab mich auch nicht gemeldet, logo, aber dass du dich dann auch nicht … man, ich bin wohl ziemlich durcheinander. Ich will einfach nicht, dass sich was ändert … zwischen uns jetzt, mein ich. Für dich kann sich ja ruhig was ändern … vielleicht hat es das ja schon? Ich weiß ja nicht Bescheid. Hat sich schon was geändert, Frauke? Okay, ich ruf wieder an.«

    »War es schön?«, fragt Michelin.
    »Sicher«, antworte ich. »Sicher war es schön. Sonst hätte ich es wohl nicht gemacht. Die ganze Nacht durchknutschen, das bedeutet ja schon was, oder?«
    »Was denn?«, entgegnet sie.

    Plötzlich ist es kalt geworden. Der Herbst hat sich innerhalb von zwei Tagen verabschiedet und macht dem Winter Platz.
    Als ich heute Morgen mit Loulou auf den Berg gehe, liegt eine feine erste Schneeschicht, dünn wie Puderzucker, auf allen Wegen.
    Genauso habe ich es mir vor ein paar Wochen vorgestellt. Mein Hund und ich trotzen der eisigen Kälte, die uns in die Wangen und kalten Nasen beißt. Wir, gemeinsam gegen alle Widrigkeiten, kämpfen uns unseren Weg entlang und erreichen dann ein warmes, helles Ziel.
    Ich schaue meinem Atem nach, wenn er von meinem Mund davonstiebt und in die Luft kleine Fantasiegebilde zaubert.
    Antonie hat nicht angerufen, seit sie mich neulich in den frühen Morgenstunden wieder verließ.
    Ich habe sie auch nicht angerufen. Es liegt so ein Abwarten darin. So ein Zögern, von dem ich nicht weiß, was es bedeutet.
    Genauso wenig wie ich weiß, was ich denken sollte, als ich mich gestern Abend bei dem Gedanken ertappte, wie es wohl wäre, Emma zu küssen.
    Wer weiß, vielleicht hat Antonie ja die Büchse der Pandora geöffnet, und ich will jetzt mit so ziemlich jeder Frau knutschen, die mir über den Weg läuft. Daran denken muss ich jedenfalls ständig.
    In der Stadt begegnen mir Frauen, und ich beobachte, wie sie ihre Hüfte einknicken beim Stehenbleiben vor einem Schaufenster. Ich schaue den Kassiererinnen auf den Mund und bewundere den Schwung ihrer Lippen. Eine Frau, direkt vor mir in der Postschalterschlange, hat ihre Haare hochgesteckt, und ihren Nacken zieren viele kleine blonde Härchen auf der weichen Haut. Ich wette, sie ist weich.
    Und heute Morgen ist es wirklich nicht das Größte, durch diese unwirtliche Landschaft zu stapfen.
    Meine Vision von einer allein lebenden, tapferen, karriereorientierten Frau, an deren Seite ein treuer Hund läuft, schrumpft zusammen zu einem kläglichen Rest. Und selbst der verpufft, als ich vor mir auf dem Weg in der feinen

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