Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Flur, einem großen Raum, einer Küche und einem winzigen Bad, in dem ich mir beim Händewaschen gleich den Kopf stoße.
Wir sitzen auf ihrem Bett und löffeln abwechselnd Schoko- und Vanilleeis, während ich erzähle.
Sie hört mir zu, mit ernstem Gesicht. Aber manchmal taucht darin ein Lächeln auf, das nur so etwas wie Zuversicht herbeizaubern kann.
Schließlich legt sie ihren Löffel zur Seite und sieht mich unverwandt an. »Du hast dich also auf der Party von Emma verabschiedet und bist hierher gefahren. Und was bedeutet das? Bedeutet das was?«
Ich atme schwer. So was Ähnliches hätte ich erwarten sollen. Aber ich bin gar nicht gewappnet und stammele furchtbar herum.
»Ich … weißt du … ich kann dir immer noch nicht mehr versprechen … als vor ein paar Tagen … ich meine, eine Garantie«, beginne ich, aber da ist plötzlich wieder dieses Gefühl. Es lässt mich mitten im ohnehin gestotterten Satz einfach abbrechen. Es ist nicht das Gefühl, was ich empfunden habe, als wir uns küssten noch und noch. Nein, es ist jenes Gefühl, das mich so warm ausfüllte, als sie in der Nacht an meiner Seite lag. Als ihr Atem meinen Hals streichelte und wir beide so taten, als schliefen wir.
»Hast du eigentlich geschlafen?«, überrumpele ich sie, während sie noch nach einer Antwort auf meine letzte Eröffnung sucht.
Ich weiß, dass ihre Augen grau sind, aber manchmal wechseln sie die Farbe und werden undefinierbar. Du musst schon ganz genau hinschauen. Und nicht einmal dann gewinnst du Gewissheit.
»Geschlafen?«, wiederholt sie verwirrt.
»In der Nacht, als du bei mir …«
»Ach so«, grinst sie. »Na, was glaubst du denn?«
Dass sie ein Glas ist voller bunter Überraschungskugeln, das von unten gefüllt wird. Immer wenn ich oben eine herausnehme und sie bestaune, wächst unten eine neue nach. Das glaube ich. Aber das sage ich ihr nicht. Noch nicht.
»Denk bloß nicht, dass ich dich jetzt küsse«, sagt sie da und deutet auf meinen Mund. »Du bist völlig zugeschmiert mit Eiscreme.«
Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen. Tja, denke ich, wenn sie es nicht tut, dann werde ich es wohl tun müssen.
Vanille und Schokolade. Ohne Gegenteil. Und mit einem Happy End endet die Geschichte ganz sicher nicht, denn spätestens da fragt sie unvermittelt: »Sollen wir zu dir?«
»Was?«, antworte ich verdutzt. Ihre Küsse machen mich wirr im Kopf. Und auf eine plötzliche Frage bin ich dabei nicht gefasst.
»Zu dir! Sollen wir zu dir fahren? Loulou ist jetzt schon so lange allein«, argumentiert die zukünftige Tierärztin.
»Oh … ja … wenn es dir nichts ausmacht, mitten in der Nacht durch die halbe Stadt zu fahren. Das wäre schön.«
»Na ja, ich könnte mir vielleicht noch was anderes anziehen. Aber ansonsten habe ich nichts dagegen. Ich mach das öfter mal«, meint sie schlicht. »Man muss doch offen sein für so was.«
Als wir uns in die Sitze meines Auto fallen lassen, sagt sie: »Übrigens … eine Garantie kann ich dir auch nicht geben. Nur damit das gleich geklärt ist. In erster Linie kommt es nur darauf an, dass wir beide das tun, was zu unseren Lebenswegen passt. Weißt du, wie dein Weg aussieht?«
»Ich denke schon«, erwidere ich. »Ich bin jetzt einfach mal cool und liebe, wen ich will!«
Sie lacht. Dieses übermütige Lachen, bei dem ich immer den Eindruck habe, sie stehe unter Strom.
»Klasse!«, meint sie dann. »Ich mach mit!«
Über die Autorin
Mirjam Müntefering ist 1969 im Sauerland geboren und lebt heute im Ruhrgebiet. Sie ist ausgebildete Fernsehjournalistin. Seit einigen Jahren arbeitet sie jedoch als Schriftstellerin und als Trainerin in der eigenen Hundeschule. Das Gegenteil von Schokolade ist ihr dritter Roman bei Bastei-Lübbe.
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