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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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Mann«, ließ ich sie wissen. Sie streckte ihm lächelnd die Hand entgegen.
    »Ihre Nichte macht mich nervös. Auf die bestmögliche Weise«, sagte er zu ihr.
    Sie lächelte stolz. »Danke.«
    »Komm.« Ich legte eine Hand auf seine Schulter. »Lass uns zu unseren Plätzen zurückgehen.«
    Das Backstageteam arbeitete offenbar hart, alles für den zweiten Akt herzurichten. Ich hörte, wie Kulissen über Dielenbretter geschoben wurden. Die Vorhänge raschelten, als würden sie gleich aufgehen. Aber eine Sekunde lang passierte gar nichts. Ich glaubte den Umriss von jemandem zu sehen, der zur Seite rannte. Als dann die Vorhänge ruckartig aufgezogen wurden, schwankten die Stangen. »Hoppla«, murmelte Hugh, »da geht die Begeisterung mit jemandem durch.« Wir starrten auf die Bühne. Keiner sagte etwas. Dann schrie eine Frau. Ich starrte, bis ich glaubte, mich übergeben zu müssen.
    Ein Baby hing an seinem verdrehten Hals an einem Seil, das man oben um eine Leiter geschlungen hatte. Es trug das Leinenkleid und das Mützchen – schon wieder. »Es ist alles in Ordnung«, sagte ich. »Es ist nur eine Puppe. Es ist ein Streich.« Ich hielt Ausschau nach Jenny, nach meinem Vater, nach jemandem, der die Kontrolle übernahm. Keiner rührte sich. Ich stand auf, zwängte mich an Hugh vorbei und ging wutentbrannt Richtung Bühne. Ich hatte gerade die Stufen erreicht, da fing eine Stimme zu sprechen an.
    »Entschuldigen Sie die Unterbrechung des Stücks. Hexen jagd wird in wenigen Minuten fortgesetzt werden. Doch jetzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen eine Geschichte zu erzählen.«
    Emily. Die mit halblauter, selbstsicherer Stimme sprach. Aber die Bühne war noch immer leer. Bis auf die Puppe, die an ihrem um den Hals gelegten Seil hin und her schaukelte.
    »Das ist die Geschichte zweier Männer. Der erste wird als höchst erfolgreich angesehen. Er hat es sich gut gehen lassen und eine erstklassige und beliebte Schule aufgebaut.« Mir stellten sich die Nackenhaare auf. »Er war verheiratet und bekam zwei gesunde Töchter. Der andere Mann hatte ebenfalls eine respektable Stellung inne und zwei Kinder, in die er vernarrt war: ein Mädchen und einen Jungen.
    Aber sein Sohn kam mit einem seltenen Herzfehler zur Welt. In England war eine Operation nicht möglich. Ohne Behandlung würde der Junge vor seinem ersten Geburtstag sterben. Aber der Vater hatte sich informiert und eine Klinik in den USA entdeckt, an der ein Chirurg praktizierte, der eine bahnbrechende Behandlung mit sechzigprozentiger Erfolgsquote entwickelt hatte.
    Die Familie verkaufte ihr Haus. Aber damit hatten sie das Geld für die Flüge und den langen und teuren Aufenthalt in Philadelphia noch nicht zusammen.« Ich befand mich inzwischen auf der Bühne und suchte nach der Quelle von Emilys Stimme. Die Bühnenarbeiter zuckten die Achseln.
    »Wir wissen nicht, woher das kommt«, zischte einer von ihnen.
    »Der Vater lieh sich Geld von seinem erfolgreichen Freund. Der Freund hatte ihm seine Unterstützung zugesichert. Aber dann brachte er einen dritten Mann ins Spiel, einen Mathematiklehrer im Ruhestand, der sich in der Rolle des Buchhalters gefiel. Dieser Neuankömmling kam zu dem Schluss, dass ein Betrug stattgefunden hatte. Er bedrängte den Schuldirektor, denn bei seinem Freund handelte es sich um unseren eigenen Schuldirektor, den Vater zu entlassen. Dieser war nun in Sorge, man könnte die Polizei einschalten und ihn eines Verbrechens beschuldigen, das er nicht begangen hatte. Was würde dann aus seiner Familie werden?«
    »Zieht die Vorhänge zu«, zischte ich den Bühnenarbeitern zu, die wie gelähmt zu sein schienen. Die Stimme schien über meinem Kopf angesiedelt zu sein. Jetzt stand Hugh neben mir und musterte eingehend die hängende Puppe. »Die Vorhänge«, zischte ich wieder. Endlich wurde der grüne Samtvorhang schwingend zugezogen und trennte uns von den Blicken des Publikums.
    »Lass uns dieses Ding runterholen«, flüsterte ich und vergaß dabei ganz Hughs Bein. »Mach schon«, bedrängte ich ihn. Er sah mich zwar überrascht an, kletterte aber die Leiter hinauf, löste das Seil aus dem Haken und ließ die Puppe zu Boden fallen. Selbst in diesem Moment fand ich noch Zeit wahrzunehmen, wie geschmeidig er sich bewegte. Doch die Stimme setzte ihre Litanei fort.
    »Sie verließen das Land auf der Stelle. Mit einem Baby, das dringend ärztlicher Behandlung bedurfte. Amerika stand außer Frage, die Familie brauchte einen Ort, wo die Behörden sie

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