Das geheime Bild
Marmorhaut. Sie ging für achtzehn oder neunzehn durch.
Dad wurde still. Ich wusste, was ihm durch den Kopf ging.
»Nein, Dad«, warf ich rasch ein, als er es aussprechen wollte. »Du bist nicht verantwortlich für Emily. Überhaupt nicht. Wenn sie im Fälschen von Zeugnissen so gut ist, dann wird sie vermutlich auch einen anderen Job für sich finden. Das ist es, was mir Sorgen macht. Ich bin nach wie vor der Meinung, wir sollten mehr Druck auf die Polizei ausüben, damit sie die Sache ernst nimmt.«
»Sie meinten, es lägen kaum Beweise gegen sie vor. Es sei denn, Olivia würde aussagen, dass sie von Emily die Treppe hinuntergestoßen wurde.«
Ich musste an die am Seil schaukelnde Puppe denken und schauderte. »Und was ist mit den Schülern, Dad? Wie müssen sie sich gefühlt haben, als sie diese verdammte Puppe sahen?«
Er reagierte gar nicht auf meinen Kraftausdruck. »Den Schülern geht es gut. Es sind widerstandsfähige junge Leute. Wir erziehen sie dazu, sich nicht unterkriegen zu lassen.«
Wir hatten jetzt kehrtgemacht, sodass die weißen Hänge der Downs vor uns lagen, klar und rein vor dem blassen Himmel.
»Ich mochte ihn«, sagte er schlicht. Mir war klar, dass er von Emilys Vater sprach und immer tiefes Mitgefühl für ihn und das Baby empfinden würde, das gestorben war. »Ich wünschte, ich wäre damals nicht so mit den verflixten Baumaßnahmen beschäftigt gewesen und hätte genau zugehört, als er mir das von seinem Sohn erzählte.«
Dad und ich hatten ein stilles Weihnachtsfest mit Clara und ihrer Familie verbracht und nicht nur auf das Fest, sondern auch darauf angestoßen, dass Marcus einen neuen Job hatte. »Der Druck ist raus«, hatte meine Schwester mir mitgeteilt, als wir Würstchen mit Speck umwickelten, die es zum Truthahn gab. »Ich war ganz verzweifelt vor Sorge und weiß, dass wir überreagiert haben.« Ihr Blick wanderte durch die Designerküche. »Da kam mir natürlich der Gedanke, dass Dad, wenn er denn verkaufte, dir und mir einen Teil aus dem Erlös für die Schule zukommen lassen würde. Es wäre hilfreich gewesen.« Sie stellte das Blech mit den umwickelten Chipolatas in den Herd. »Aber ich fühle mich ganz schrecklich, es auch nur erwähnt zu haben. Gierig. Selbstsüchtig.« Sie sah mich dabei an wie vor all den Jahren, als ich die Schuld für die Zerstörung der Mauer auf mich genommen hatte. Ich schenkte ihr Champagner nach.
Um sich auf seinen Skiurlaub vorzubereiten, war Hugh in ein Fitnesscamp verschwunden, und ich hatte ihn seit der Theateraufführung nicht mehr gesehen, jedoch eine Karte von ihm bekommen. Morgen würde er in die Alpen aufbrechen. Dad und Clara hatten ihre Fragen zum Zustand unserer Ehe für sich behalten. Ich war den letzten Teil unseres Gesprächs nach dem Theaterstück noch einmal durchgegangen. Es war um Sofia und ihre Arbeit als Animierdame in Klubs gegangen. Sie hatte Andeutungen von einem anderen Job als Hostess gemacht.
Ich erinnerte mich an das, was der Pfleger mir über die Männer während ihres Reha-Aufenthalts erzählt hatte, dass sie zusammen in Bars und Pubs gingen. Hatte ihr geselliges und entspanntes Beisammensein sie auch in Stripteaselokale geführt? Oder Schlimmeres? Nachdem ich nun Zeit gefunden hatte, darüber nachzudenken, war ich einigermaßen beruhigt. Ich glaubte nicht, dass Hugh sich an etwas allzu Anrüchigem beteiligt hatte. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn auch er solche Etablissements aufgesucht hatte. Er war ein junger Mann unter Schock, der auf die Kameradschaft seiner Mitpatienten angewiesen war. Und ich hatte kampflos hingenommen, dass er mich aus seinem Leben verbannte, und mich mit der Rolle der verschmähten Ehefrau abgefunden.
Ich überlegte, ihn anzurufen und ihm zu vermitteln, dass ich nicht darauf herumreiten würde, was er eventuell getan hatte oder nicht. Aber wie sollte ich ein derartiges Gespräch beginnen? Er müsste schon zu mir kommen.
Wir drehten einen langsamen Kreis um die Spielfelder. »Der Hund sollte eigentlich nicht hier sein«, sagte Dad. »Wir sollten für die Familie keine Ausnahmen machen, Merry. Das bringt einen nur in Schwierigkeiten.«
Ich konnte mir ein ironisches Lächeln nicht verkneifen. »Ich weiß.« Denn wir wussten beide, dass während der Ferien für Samson auch weiterhin die Ausnahmeregelung galt.
»Es gäbe immer noch die Schulen von Abingdon und Oxford«, fuhr Dad fort. »Ein paar davon kenne ich recht gut. Und wir wären nah genug, um sie übers Wochenende zu
Weitere Kostenlose Bücher