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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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übernachteten und dort, wie ihre Mutter es formulierte, einen draufmachten. Sie blieben lange auf und aßen und tranken Dinge, die in ihrem Speiseplan zu Hause in Clapham normalerweise keinen Platz hatten. Ich vermutete, dass diese Besuche zu gleichen Teilen meiner Schwester sehr zupasskamen und meiner Ablenkung dienen sollten. Denn es wäre für die Jungs durchaus möglich gewesen, im Haupthaus zu schlafen. Aber welches Motiv auch dahinterstecken mochte, es funktionierte. Wenn die Kinder bei mir waren, vergaß ich Hugh fast. Und Mum.
    »O ja.« Ich hörte die Begeisterung in meiner Stimme. Im Geiste kaufte ich bereits die Zutaten für ihr Lieblingsfrühstück aus Pfannkuchen und Milchshakes ein. Am Samstagmorgen hatte ich nur eine Stunde Unterricht. Ich würde mit den Jungs ins örtliche Freizeitzentrum zum Schwimmen gehen. Und ihnen danach Monstersandwiches machen. Vielleicht konnten wir uns auch eine DVD ausleihen und abends Popcorn zubereiten.
    »Das ist nett von dir.« Sie wirkte zufrieden. Meine Zuneigung zu ihren Söhnen machte viele meiner Defizite wett. Auch, dass ich unfähig war, ihnen ein gesundes Abendessen aus Shepherd’s Pie und Apfelstrudel zu servieren. Clara und ich hatten uns als Kinder sehr nahegestanden, doch in den Teenagerjahren hatte Clara sich von mir entfernt. Vielleicht war es auch von mir ausgegangen. Sie war immer so selbstsicher aufgetreten, hatte immer gewusst, was sie wollte, mit wem sie zusammen sein wollte, wo sie leben wollte, wie viele Kinder sie haben wollte und wann. Bei ihr war alles plangemäß eingetroffen.
    Erst als ich die Nachricht von meinem Mann und dem Sprengkörper in Afghanistan erfahren hatte, war ich Clara wieder nähergekommen. Nachdem ich den Anruf aus dem Lazarett in Camp Bastion entgegengenommen hatte, war sie stundenlang neben mir sitzen geblieben, hatte wortlos meine Hand gehalten und mich reden oder schweigen lassen, wonach immer mir zumute war. Diese gemeinsam verbrachten stillen Stunden hatten die Erinnerung an Teenagerkabbeleien weggespült: Das eine Mal, als sie mich beschuldigte, ihre neue Jeans ruiniert zu haben, das andere Mal, als ich dachte, sie würde sich an den Jungen aus der Abschlussklasse ranmachen, auf den ich mein Teenagerauge geworfen hatte. Dann war Mum so überraschend gestorben, dass wir uns plötzlich wieder wie zwei junge Mädchen aneinanderklammerten.
    Ich ging mit dem Gefühl zu Bett, dass ich wenigstens in einer Hinsicht zu etwas gut war: als Tante. Das mochte nicht viel sein, aber es war ein Anfang. Eines Tages würde ich auch eine gute Lehrerin sein. Das wären dann schon zwei Dinge.

5
    O ffenbar hatte ich vergessen, den Wecker zu stellen. Ich wurde wach, weil Licht an den Rändern der Jalousien hereinströmte. Fluchend rannte ich unter die Dusche. Keine Zeit zum Frühstücken. Ich fütterte den Hund und zog seine Leine vom Haken neben der Tür. Er vollführte seinen üblichen Freudentanz. Der Morgen war kühl und erinnerte mich daran, dass jetzt tatsächlich Herbst war. Mein noch feuchtes Haar fühlte sich auf meinem Kopf kalt an.
    Ich setzte mir eine beige Baseballkappe auf. »Bliss« stand vorn drauf als Aufdruck über einer Palme. Hugh hatte sie vor ein paar Jahren während eines Urlaubs am Great Barrier Reef gekauft.
    In zwanzig Minuten wurde ich zur Morgenversammlung erwartet. Verschlafen sah mir gar nicht ähnlich. Aber ich hatte eine Nacht hinter mir, in der mich merkwürdige Bilder heimsuchten: Ein Baby in einem Schrank weinte nach mir. Ich hatte einen Schrank geöffnet, um es zu retten, und fand darin Hughs blutiges abgetrenntes Bein auf einem Regalbrett. Mein Mann war aufgetaucht und schrie mich an, ich hätte ihm sein Körperglied gestohlen und sein Leben zerstört. Dann war meine Mutter dazugekommen und hatte uns aufgefordert, unseren Streit zu beenden – wir würden die Lateinstunde stören. Da war ich aufgewacht und saß mit rasendem Puls kerzengerade im Bett. Danach war ich nicht mehr richtig eingeschlafen.
    Ich beschleunigte meinen Schritt, um die Träume aus meinen Gedanken zu verdrängen. Samson freute sich über das raschere Tempo und rannte los, die Nase dicht über dem taunassen Gras nahm er im Zickzackkurs die Witterung von Kaninchen auf.
    Meine Haare waren inzwischen fast trocken. Ich stopfte die Baseballkappe in meine Jackentasche zurück und hoffte, dass mein Bob jetzt nicht völlig platt gedrückt war. Wenn ich vor einer Gruppe Teenager stand, spürte ich manchmal, wie sie mit ihren Blicken mein

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