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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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als ich mit ihm zu einer kurzen Runde durch den Wald hinausging. Wir erreichten den Waldrand und marschierten am Zaun neben der Straße entlang. Jetzt war Samson in seinem Element und voller Energie. Er sprang von einer Duftmarke zur nächsten. Ich war versucht, mit ihm einmal ums Hockeyfeld zu rennen. Aber Hunde waren auf dem Schulgelände nicht gern gesehen.
    »Risiken, überall Risiken«, murmelte mein Vater, als er wieder einmal ein Empfehlungsschreiben zu Gesundheit und Sicherheit durchlas. »Dieses Gebäude war früher ein Trainingslager für Jungs, die kaum älter als unsere Primaner waren und dann an den Festlandstränden landeten, um Europa zu befreien. Viele von ihnen waren tot, bevor sie aus dem Wasser kamen. Aber wir dürfen keinen einzigen blauen Fleck riskieren.«
    Ich war nicht risikofreudig. Hugh amüsierte sich über meinen Wunsch, meine Gliedmaßen zu schützen. »Leb gefährlich«, schrie er mir vom Fuß einer vereisten Buckelpiste in den französischen Alpen zu, während ich oben zögerte. Aber dann hatte er wirklich gefährlich gelebt. Die Explosion in der Provinz Helmand hatte ihm einen seiner Unterschenkel weggerissen, der ihn damals so flott und mühelos über den Abhang getragen hatte. Zwei Finger jener Hand, die den Skistock hielt, mit dem er mir zuwinkte, waren ebenfalls abgetrennt worden. Und Hughs Blut, rot wie seine Skijacke, war in die staubige Erde neben der Straße gesickert.
    Man hatte mir berichtet, wie es passiert war. Während mein Ehemann blutend im Staub gelegen hatte, hatte ich mich vermutlich gerade für die Arbeit fertig gemacht: den Hund beschimpft, weil er herumtrödelte und nicht aus dem Garten kam, als ich ihn rief. Mich über den Zustand meines frisch gewaschenen Haars beschwert. Überlegt, ob noch Zeit war, mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren, oder ob ich mich davor drücken und das Auto nehmen sollte. Alberne Banalitäten.
    Wäre ich besser organisiert gewesen, hätte ich an diesem frühen Morgen vielleicht auch Zeit gefunden, an meinen Mann zu denken. Vielleicht hätte der Gedanke sich ihm vermittelt. Vielleicht hätte er beschlossen, dass sie schon weit genug vorgestoßen waren. »Wir wollten gerade über Funk unseren Rückzug bekannt geben«, hatte sein Fahrer mir in der E-Mail mitgeteilt, die er mir eine Woche nach der Explosion schickte. »Wir waren dabei, um die nächste Kurve zu biegen. Dann wollten wir Feierabend machen.«
    Ich hätte gern gefragt, warum sie diese Kurve und nicht eine andere, frühere gewählt hatten, aber ich tat es nicht. Ich studierte die Straßenkarten dieser Gegend, suchte im Internet nach Satellitenbildern, damit ich mir ein Bild machen konnte, wo die Patrouille in der Provinz Helmand in einem Radius von zehn bis zwanzig Kilometern unterwegs gewesen war. Ein Land von der Farbe dieser Baseballkappe, wenn man es von oben betrachtete. Man konnte sich nur schwer vorstellen, dass irgendwer in diesen Dünenfeldern und Dörfern lebte. Und die Logik der Ereignisse, die meinen Ehemann auf diese staubige Piste zu diesem speziellen Zeitpunkt an diesem speziellen Tag geführt hatte, ließ sich unmöglich noch nachverfolgen.
    »Geh einfach, Meredith«, hatte Hugh zu mir gesagt, als ich ihn das letzte Mal besuchte. »Du kannst mir jetzt nicht helfen. Verschwende deine Energie nicht an mich.«
    »Sag mir, was ich tun soll, wie ich mit dir umgehen soll.« Dabei konzentrierte ich mich auf die Genesungskarten, die seinen Nachttisch schmückten.
    Er starrte die Hand an, an der er die Finger verloren hatte. »Du kannst nichts tun. Das ist dir gegenüber nicht fair. Du hast weiß Gott genug durchgemacht.«
    »Aber du machst gute Fortschritte. Sie werden dir bald die kosmetische Beinprothese anpassen.« Das neue Bein würde aussehen wie sein echtes, im Unterschied zu der Prothese, die er jetzt trug. »Sie könnten dir eine Sportprothese anpassen, hast du gesagt. Und deine Hand heilt auch.«
    »So habe ich mir unsere Ehe nicht vorgestellt.« Eine Pause. »Dich zu sehen macht alles nur noch schlimmer für mich.«
    »Es wird nicht immer so sein. Wenn du dich erst an das Bein gewöhnt hast, wirst du …«
    Er streckte abwehrend seine rechte Hand aus, die, an der noch alle Finger dran waren. »Bitte geh jetzt.« Dabei hörte er sich an, als würde er sich an einen seiner Soldaten wenden. »Ich will das alles nicht sagen, ich will dir nicht wehtun. Du hast weiß Gott genug Schmerz erlitten.«
    »Stimmt das?«, hatte ich den Pfleger gefragt, der mich tröstete, als

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