Das geheime Leben des László Graf Dracula
Bewegung und stolperte in die Richtung, aus der sie meine Stimme vernommen hatte. Ich trat geräuschlos auf die Seite. Schon hörte ich sie in panischer Angst nach Luft schnappen und registrierte sogar, daß ihre Kleidung nach Orangen und Nelken roch.
Ich packte sie von hinten, doch sie kämpfte mit dem Mute der Verzweiflung.
Fast wäre sie mir sogar entkommen, als ich nur ihre Haube zu fassen bekam, aber dann erwischte ich sie bei den Haaren und drückte sie nieder. Ich habe noch nie eine Frau mit einem so unbändigen Lebenswillen wie Helene gesehen.
Sie wehrte sich, schlug wild um sich, schrie jedoch nicht. Schließlich überwältigte ich sie, drückte sie zu Boden und bog sie durch wie eine Rute. Ich drang in sie ein und verbiß mich in ihrem Hals – und schmeckte das dicke, sprudelnde Blut genau in jenem ekstatischen Moment zwischen Leben und Tod.
Ich kam wieder zu mir, als ich jemanden Helenes Namen rufen hörte. Erst glaubte ich zu träumen, aber dann hörte ich es wieder. Der Ruf kam näher. Es war jemand, der die Nachbarn nicht wecken wollte, jemand, der sich nicht sicher war, ob er besorgt oder erleichtert sein sollte, weil die Antwort ausblieb.
So gut ich konnte, wischte ich mir das Blut mit Helenes Unterrock aus dem Gesicht und nahm meinen Mantel und Hut. Ich konnte jetzt Schritte hören und lief schnell zur anderen Tür, die nach hinten hinaus führte. Dort verharrte ich plötzlich. Der andere hielt genau vor der Stalltür an, und jetzt erkannte ich Gregors Stimme. Unentwegt rief er Helenes Namen.
Als er dann die halb angelehnte Tür öffnete, schlüpfte ich auf der anderen Seite eilig hinaus. Von der Gasse muß genügend Licht hereingefallen sein, denn ich hörte einen erschrockenen Aufschrei. Gleich darauf raschelte das Stroh. Er mußte sie umgedreht haben. Ich hörte ihn schluchzen, doch dann gewann er schnell die Fassung zurück und murmelte in einem leiernden Singsang die letzten Sakramente.
Meine Leidenschaft ist keine Krankheit, sondern eine Lebensart. Sie ist kein Tumor, der meinen Charakter zerstört hat, sondern das eigentliche Wesen meines Seins. Ich bin kein Monstrum, sondern der Inbegriff des Menschlichen und des Bösen. Ich bin, der ich bin.
12. APRIL 1888, MORGEN
Heute morgen wurde Elisabeth vom Frühstückstisch gerufen. Zuerst winkte sie dem Dienstmädchen ab.
»Später«, sagte sie, doch als das Mädchen ihr etwas ins Ohr flüsterte, stand sie abrupt auf.
Als gute Gäste taten die von Picks so, als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen, und begannen ein lebhaftes Gespräch über die aufregendsten Bälle der Wiener Karnevalssaison.
Bald darauf kam Elisabeth in Tränen aufgelöst zurück. »Du hast dein Wort gebrochen!« schrie sie. »Du hast mir doch versprochen, daß niemals ein unschuldiger Mann für diese Morde bestraft wird!«
»Was ist passiert?« fragte ich gleichgültig.
»Schon wieder ist ein Mädchen ermordet worden!«
»Verstehe.«
»Du verstehst überhaupt nichts! Pater Gregor ist verhaftet worden. Die ganze Stadt weiß es schon. Die Leute sagen, daß er der Vampir ist.«
»Das ist ja schrecklich!«
»Du mußt etwas tun! Sie haben Gregor wie einen gewöhnlichen Verbrecher ins Gefängnis gesperrt. Er sitzt hinter Gittern, hörst du?«
»Die Vorwürfe werden sich nicht halten lassen«, erklärte ich. »Ich gehe sofort zu Kraus. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, das verspreche ich dir.«
Nicole schüttelte ihre Serviette aus, faltete sie zusammen und strich sie glatt.
Stephanie starrte mich gebannt an. Und Lothar lehnte sich genüßlich in seinem Stuhl zurück. Auf seinen Lippen spielte ein süffisantes Lächeln. Er hatte verstanden.
NACHMITTAG
Jakob fuhr mich in die Stadt. Unterwegs redete er in einem fort, obwohl ich mich hundeelend fühlte und nur immer mit einem Grunzen antwortete. Es sei wärmer geworden, meinte er, bald würde der Boden auftauen und der Frühling anfangen.
Vor der Polizeiwache drängte sich eine wahre Traube von Menschen, und Jakob mußte einen Weg für mich bahnen.
Drinnen marschierte ich geradewegs in Kraus' Büro. Er kam mit Leichenbittermiene auf mich zu, als wolle er mich über den Tod eines nahen Verwandten trösten.
»Machen Sie sich keine Vorwürfe, Graf. Wir alle haben uns zum Narren halten lassen.«
»Das kann nicht sein!«
»Ich weiß, ich weiß. Hätten wir ihn nur früher geschnappt! Wie viele Leben hätten wir retten können! Aber wer verdächtigt schon einen Priester? Vor allem einen, der von der
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