Das geheime Leben des László Graf Dracula
zuzufügen.
Gemeinsam stiegen wir die Treppe zu dem Gebäude hinauf. Lothar hielt mich boshaft grinsend für einen Augenblick am Arm zurück.
»Sie werden sich mit Ihren amourösen Bemühungen übernehmen, Sie Unhold«, murmelte er, seinen Mund hinter dem Handrücken verbergend. Dann sagte er, als er Nicole mit einem großen Satz wieder eingeholt hatte: »Um Gottes willen, heben Sie ein bißchen von sich für die Nachwelt auf.«
»Werden Sie berühmt sein, László?« fragte Nicole. Sie schien zu glauben, daß Berühmtheit etwas war, wofür man sich einfach entschied, so wie man sich zum Beispiel zur Heirat entschied.
Andere, Kollegen und Konkurrenten, waren um uns herum, als wir das amphithéâtre betraten, und ich wußte nicht, wie ich meine Antwort für Nicole formulieren sollte, nämlich, daß ich eines Tages vielleicht wirklich ihre Bewunderung wert sein könnte, ohne mich vor meinen Rivalen zu brüsten. Nur meine Arbeit als Arzt bietet jetzt noch Hoffnung, daß das mir verbleibende Leben von Wert sein kann.
»Natürlich wird er das«, warf Lothar ein. »Die Frage ist nur, wofür.«
»Aber haben Sie vor, etwas aus sich zu machen, László? Streben Sie danach, von der Gesellschaft hoch geschätzt zu sein?«
Ich dachte, Nicole würde mich nur necken, und hatte nicht erwartet, daß ihre Fragen ernst gemeint sein könnten. Wie mir erst jetzt klar wird, hat sie mich nach meinen Aussichten im Leben gefragt und ob ich danach trachtete, den gleichen Status zu erringen, den sie selbst innehatte.
»Mein Beruf ist für mich sehr wichtig«, sagte ich. »Und ich gedenke, meine ganze Kraft hineinzulegen.« Lothar tat so, als würde er hinter Nicoles Rücken ironisch in die Hände klatschen, aber ich ignorierte ihn. »Jetzt ist die Zeit, in der unsere Entdeckungen ein enormes Potential darstellen, das zum Positiven führt.
Wenn wir heute die Hysterie verstehen lernen, können wir morgen den Wahnsinn entschlüsseln. Dann werden wir dem Kranken seinen Seelenfrieden zurückgeben, vielleicht sogar seine geistige Gesundheit. Ich hoffe, daß ich das noch miterleben werde.«
»Bravo!« sagte Lothar.
»Ich finde das ein sehr nobles Anliegen«, sagte Nicole tadelnd zu ihm.
»Nicht nur nobel, sondern auch selbstaufopfernd«, erwiderte Lothar. »Eine Karriere, bei der sich das Einkommen auf eine Klientel von Wahnsinnigen stützt
– das nenne ich geradezu heilig.«
Zum Glück brauchte ich 'ihm nicht zu antworten, da wir gerade unsere Plätze einnahmen. Ich hielt Lothars Antwort für plump, ohne die übliche Note, die so geschickt war, daß es wie Gleichgültigkeit aussah, und ich dachte mir, daß er vielleicht eifersüchtig war. Wie es aussieht, erfreut sich Lothar bei Beziehungen à trois an der ausgleichenden Kraft – ich glaube, die Stabilität von Freundschaft oder Liebe langweilt ihn –, solange er den Ablauf kontrolliert. Aber das wachsende Einvernehmen zwischen Nicole und mir nimmt ihm die Initiative aus den Händen, so daß er kaum Gelegenheit für seine Possen hat.
Das Auditorium war heute ganz besonders voll, aber wir hatten uns gute Plätze weit vorne sichern können. Ich drehte mich um, um zu sehen, wer sonst noch alles da war, genauso wie es Nicole und Lothar und alle anderen taten, denn wie es scheint, werden die Demonstrationen des Meisters zu einer Art gesellschaftlichem Ereignis, die man besucht, um zu sehen und gesehen zu werden. Nicole, als eine der wenigen anwesenden Frauen und als einzige von strahlender Schönheit, löste viele geflüsterte Kommentare aus, die sie vorgab nicht zu hören. Ich entdeckte Roland, der nur zwei Reihen direkt hinter uns saß und mich bissig anstarrte. Wir haben seit seiner Enthüllung nicht mehr miteinander gesprochen, und ich wich seinem Blick aus.
Professor Charcot war groß in Form. Er sprach zuerst über das Gedächtnis und die Amnesie. Als nächstes behandelte er Zwischenstadien des Bewußtseins, vor allem die Umwölkung des Bewußtseins oder die Stadien des Dämmerzustands. Wie immer war er redegewandt und sarkastisch, obwohl ich mir nicht sicher bin, wie Nicole und Lothar es aufnahmen. Wann immer ich wagte, ihr einen Blick zuzuwerfen, war ich überrascht, wie aufmerksam Nicole dem Vortrag folgte, da mich ihr Benehmen im Kreise ihrer Clique dazu verleitet hatte, sie für oberflächlich zu halten. Jetzt glaube ich, daß Lothar, als er sie mir so beschrieb, absichtlich versuchte, mich in die Irre zu führen.
Als es für die Demonstration des Meisters Zeit wurde, war
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