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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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erfüllt. Wir akzeptierten, daß hinter den Worten des Professors irgendeine Handlung steckte, die Stacia wieder in ihren frühen Zustand versetzen würde, genauso wie man akzeptiert, daß der staatliche Goldschatz das dünne Stück Papier, das eine Banknote über tausend Francs darstellt, stützen wird.
    Charcot gab sein Bestes, Stacia mit einer Anzahl weltlicher Erinnerungen zu dem Tag ihrer Selbstverstümmelung hinzuführen, um das uneinheitliche Wissen, das ihr in Erinnerung geblieben war, aufzuzeigen. »Insel der Erinnerung in einem Meer des Unterbewußtseins«, wie er es nannte. Schließlich beendete er die Demonstration mit weiteren Beweisen für ihre amnestischen Fähigkeiten. Dann wurde Stacia, deren opheliahafte Präsenz die ständige Ablenkung der Zuhörer zur Folge hatte, aus dem Saal geführt, und Charcot gab zum Schluß eine wunderbare Zusammenfassung.
    Danach ließ ich mich auf der Station entschuldigen, da ich mit Nicole und Lothar zusammen essen gehen wollte. Anscheinend hatte er geplant, den Besuch im Salpêtrière zu einem gesellschaftlichen Ereignis zu machen, denn er hatte für uns in einer abgeschiedenen Ecke im Bois ein Picknick vorbereitet. Als wir dort ankamen, hatten die Diener bereits Teppiche und Kissen ausgelegt, damit wir uns auf römische Art zurücklehnen konnten, und als wir im Schatten einer großen Eiche unsere Plätze einnahmen, brachten die Diener zur Erfrischung gekühlten Wein. Danach gab es kaltes Hühnchen, Wildbret, Zunge in Aspik und eine vollendete Pastete, deren Kruste ein Architekt kreiert haben mußte; all das stellten die Diener vor uns hin, um sich dann ein Stück zurückzuziehen, so daß wir es uns ohne alle Förmlichkeiten bequem machen und ungestört miteinander reden konnten.
    Nicole war während der Fahrt vom Hôpital bis hierher ungewöhnlich still gewesen. Es war klar, daß die Demonstration sie sehr beeindruckt hatte. Das Essen schob sie nur auf dem Teller hin und her.
    »Die arme Frau!« brach es schließlich aus ihr hervor, und wieder traten Tränen in ihre Augen.
    Lothar sah mich an und wartete darauf, daß ich etwas unternahm. Er lag, den Kopf in die Hand gestützt, auf einem türkischen Teppich und zog träge an einer Zigarre, während er meine mißliche Lage sichtlich genoß.
    »Was für ein bedauernswertes Wesen«, fuhr Nicole fort und drehte sich zu mir um, um sich zu vergewissern, daß ihr Mitgefühl nicht fehl am Platz war.
    »Ich glaube, daß sie alles sehr genau fühlt, auch wenn sie wenig sagt. Ihr Gesicht ist so traurig. Alles an ihr vermittelt den Eindruck, daß sie das Opfer einer unglücklichen Liebesaffäre ist. Stimmt das? Wir kennen diese Dinge. Wir Frauen haben ein Gespür für diese Dinge.«
    Ich fragte mich, ob sie aus Erfahrung sprach. Hatte man ihr das Herz gebrochen? Wann? Wer? Und wenn ja, hatte sie die Fähigkeit zu lieben wiedererlangt? Dumme Fragen von einem Mann, dessen Herz das Wissen in seinem Kopf ignoriert.
    Sie deutete meine Unfähigkeit, eine geeignete ausweichende Antwort zu finden, als professionelles Taktgefühl. »Aber vielleicht können Sie es nicht sagen?« sagte sie, mir entgegenkommend. »Das verstehe ich völlig. Aber ich darf doch raten, nicht wahr? Gestützt auf meine weibliche Intuition? Das werden Sie mir doch nicht verwehren?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Sie ist nicht verrückt«, begann Nicole und sah mich durchdringend an, um festzustellen, ob ihr mein Gesichtsausdruck irgendeinen Hinweis darauf lieferte, daß sie auf der richtigen Spur war. »Obwohl es Leute gibt, Ärzte eingeschlossen, die glauben, daß sie es ist.« Mit einem leichten Schulterzucken gab ich zu verstehen, daß es so sein könnte. »Aber sie ist ein Mensch mit starken Gefühlen – übermächtigen Gefühlen. Sie ist eine Frau, deren Verstand von Gefühlen beherrscht wird.« Nicole griff tief in irgendeinen intuitiven Schlupfwinkel ihres Geistes. Sie wußte viel mehr über die menschliche Natur, als ich ihr zugetraut hätte. »Und weil sie sich über sich selbst nicht im klaren ist
    – sie ist wie ein Chamäleon, paßt sich an ihre Umgebung an –, kann sie sich leicht selbst verlieren. Und dann wirkt sie leer, so wie heute morgen. Aber sie ist gar nicht leer. Sie hat starke Gefühle, aber sie liebt zu schnell und zu intensiv. «
    Spontan ergriff sie meine Hand. Ihre Augen funkelten. »O László!« rief sie.
    »Ich finde es so nobel von Ihnen, für diese Menschen dazusein.«
    »Ich glaube nicht, daß wir auch nur die Hälfte aller

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