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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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verjagen. Und doch teile ich ihre Herkunft, und die Wurzel des Aberglaubens ist tief in mein Wesen eingepflanzt.
    Ich hatte gehofft, diesen Gedankengang weiterzuführen, aber ich bin müde und kann mich bei dem infernalischen Krach, der von nebenan kommt, nicht konzentrieren. Anscheinend ist Roland völlig betrunken nach Hause gekommen.
    Er schreit eine ganze Schimpftirade heraus, verflucht die menschliche Rasse, aber ich kann nicht verstehen, worauf er so zornig ist, da seine Wörter zum Glück durch die Wand nur gedämpft zu mir durchdringen. Von Zeit zu Zeit werden seine Reden unterbrochen, wenn er über Möbel fällt und Flüche ausstößt und, wenn ich mich nicht täusche, in Schluchzen ausbricht. Ich glaube kaum, daß ich Schlaf finden werde, wenn ich ihm nicht helfe, sich zu beruhigen.

    NACHT

    Ich bin zum Tode verurteilt. Schlimmer. Mein dummes Nachsinnen über Blut –
    und dabei war ich die ganze Zeit infiziert. Verzaubert! Ich dachte, ich wäre verzaubert!
    Ich hatte mein Zimmer verlassen, um Roland in sein Bett zu helfen. Seine Tür stand offen; ich klopfte, aber er torkelte betrunken in seinem Zimmer herum und merkte es gar nicht, deshalb trat ich ein und machte die Tür hinter mir zu, damit er nicht das ganze Haus aufweckte. Als er mich endlich sah, machte er eine alberne Verbeugung vor mir und verlor dabei prompt das Gleichgewicht und fiel nach hinten in einen Sessel.
    »O Graf!« Er schüttelte in zusammenhanglosem Kummer den Kopf.
    »Warum nennen Sie mich so?« fragte ich.
    »Nennen Sie sich nicht selbst so?« Er lachte verbittert. »Ich meine nicht im Hospital. Da kämen Sie mit diesem Humbug keine fünf Meter weit. Ich meine nur, wenn Sie die leicht Verletzbaren ausnützen. Die Leichtgläubigen. Die leicht zu beeindrucken sind.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte ich beklommen.
    »Was haben Sie getan... sie hypnotisiert?« Er wühlte in einer Tasche, dann in einer anderen, und fischte schließlich ein zerknittertes Stück Papier heraus.
    »Hier, nehmen Sie es!« rief er böse und warf mir den Zettel vor die Füße.
    Es war derselbe Zettel, den mir die alte Frau vor zwei Tagen in die Hand gedrückt hatte, obwohl er schon oft gelesen und wieder neu zusammengefaltet worden war. Ich strich ihn glatt.

    Graf – ich schwebe in Lebensgefahr. Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Nur Sie, der beide Seiten meines Lebens kennt, können mich retten. Ich bin verzweifelt! Sonst hätte ich mir nicht erlaubt, Sie um Barmherzigkeit zu bitten. Darf ich Ihrer Zuneigung, Ihrer edlen Bemühungen gewiß sein, eine Ungerechtigkeit wiedergutzumachen? Ich darf! Ich muß glauben, daß ich es darf! Ich flehe Sie an. Kommen Sie, wenn Sie auch nur das Geringste für mich übrig haben, heute abend zu meiner oben angegebenen Adresse. Ich lege mein Schicksal in Ihre Hände. Ich liefere mich Ihnen wieder hilflos aus.

    Unterschrieben war es einfach nur mit »S«.
    Die Straße, die sie angegeben hatte, liegt nicht weit von meiner Wohnung entfernt im Quartier Latin. Sie hatte mich zu sich gerufen (aus welchem dringenden Grund?), aber ich hatte Gedichten gelauscht.
    Als ich aufblickte, sah Roland mir forschend ins Gesicht. Vielleicht war er gar nicht so betrunken, wie es den Anschein hatte.
    »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, sagte er höhnisch. »Ich werde Sie nicht verraten. Sie haben schon genug Ärger.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß das irgend etwas mit mir zu tun haben könnte?«
    Das war ein schwacher Versuch, ihm auszuweichen. Lothar hätte sich bestimmt viel geschickter verhalten.
    »Sie haben ihn fallen lassen, als Ducasse Sie gerufen hat, damit Sie die Patientin untersuchen. Ich habe es gesehen.«
    »Wenn Sie gewußt haben, daß die Nachricht an mich gerichtet war, warum haben Sie sie mir dann nicht zurückgegeben?«
    »Weil ich wußte, daß sie von ihr war.«
    »Und was hat das mit Ihnen zu tun?«
    Er lachte freudlos. »Ich wünschte, ich wüßte es. Aber ich habe es mir zur Aufgabe gemacht. Und Stacia hat sonst niemanden, auf den sie sich verlassen kann.«
    Er starrte mich an, wie um zu sehen, ob ich die tiefere Bedeutung seiner Worte verstand.
    »Kennen Sie sie denn überhaupt?« fragte er. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wer sie ist?« Obwohl ich noch gar nicht zu sprechen begonnen hatte, hob er die Hand. »Oh, ich weiß darüber Bescheid. Ich habe sie dazu gebracht, es mir zu erzählen. Es hat nichts zu bedeuten. Die körperliche Vereinigung ist vielleicht nichts anderes als ein

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