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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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Lebens so stark ins Bewußtsein wie das Heraufdämmern eines neuen Tages. Die ganz normalen Dinge des Alltags.
    Die Zeit verfliegt. Jede Sekunde ist von unermeßlichem Wert. Meine Sinne fühlen und sehen mit ungewohnter Schärfe. Ich sehne mich nach Empfindungen. Ich will jeden Augenblick in mir aufnehmen. Ich will den Prozeß in meinem Körper verlangsamen, den verhaßten Parasiten, der in meinem Blut schwimmt, aufhalten. Ich existiere jetzt für ihn. Ich bin sein Wirt.
    Allmählich wird er von mir Besitz ergreifen. In zehn Jahren – höchstens fünfzehn – werde ich tot oder wahnsinnig sein. Und bis dahin kann ich jedes der hundert Symptome erwarten, die mit dieser vielgestaltigen Krankheit ein-hergehen, jedes einzelne davon demütigend, erniedrigend, entmündigend.
    Ich habe mich, gleich nachdem ich Roland verlassen hatte, untersucht, habe meine intimen Teile nach dem schmerzlosen Schanker erforscht, konnte aber nichts finden. Ich habe mich fast wundgerieben bei dem Versuch, an meiner Leiste die Lymphknoten abzutasten. An der linken Seite ist einer leicht vergrössert, aber so geringfügig, daß ich mir nicht sicher bin, ob das nicht normal ist. Es ist noch zu früh für den Parasiten, sich zu erkennen zu geben. Man muß ihm Zeit lassen. Ich werde warten, aber ich kann es mir nicht leisten, mich wohltuenden Hoffnungen zu überlassen. Für Syphilis gibt es keine Heilung, und ich werde mir in diesem Punkt nichts vormachen, genausowenig aber werde ich mich Quacksalbern ausliefern oder von einem Kurpfuscher zum anderen gehen, bis sie mir mein ganzes Geld und meine Würde genommen haben.
    Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich mich umbringen. Nicht jetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt – ob ich ihn erkenne? – werde ich ein neuer Mensch sein.
    Jeder Tag ist ein Geschenk. Solange ich nichts von meinen Fähigkeiten verliere, werde ich jeden Augenblick auskosten, jedes Gefühl in seiner ganzen Intensität erleben, jedem qualvollen Impuls nachgeben, der in meiner Natur liegt. Ich fürchte, ich werde zu lange am Leben festhalten und es zu spät aufgeben.

    6

    I. JUNI 1866, NACHMITTAGS

    er Tag verging wie im Traum. Ich war in der Arbeit, als wäre nichts D geschehen, als wäre ich noch der gleiche, der ich gestern war. Die ganze Zeit ist mir bewußt, daß ich mich verändert habe. So viele Erwägungen kommen mir jetzt unwichtig vor. Zeit – die Gegenwart – ist der elementare Bestandteil meines Daseins. Der Mangel an Schlaf macht mir nichts aus. Er paßt zu meiner irdischen Stimmung. Ich bin fast unerträglich müde, und doch fühle ich mich merkwürdig wach und gefaßt. Es herrscht eine neue Ausgeglichenheit in mir.
    Ich hatte vergessen, daß heute der Freitag war, an dem ich versprochen hatte, Lothar zu Professor Charcots Demonstration mitzunehmen. Ich stand zufällig am Fenster, in eine halb bewußte Träumerei verloren, während ich nach unten auf die Rosen im Blumenbeet starrte, als ich auf der Straße zum Hôpital seine schwarze Kutsche heranrollen sah.
    Ich ging durch die Hintertür aus dem Gebäude, nahm eine Abkürzung durch die Wäscherei und kam gerade in dem Augenblick am Eingang zum amphitbéâtre an, als Lothar Nicole aus dem Wagen half.
    »Ich dachte mir, daß Sie dagegen sein werden, wenn ich Sie frage«, sagte sie.
    »Also komme ich unangekündigt.«
    »Ich habe versucht, sie davon abzubringen«, sagte Lothar. »Aber je mehr ich ihr von den abscheulichen klinischen Details erzählt habe, die sie zu hören bekommen würde, um so gieriger war sie darauf, mitzukommen.«
    »Wird es zu... zu animalisch sein?« fragte sie voller Eifer.
    Sie sah prächtig aus in ihrem strengen schwarzen Seidenkleid und dem winzigen Hut, der auf ihrem Haar thronte. Ihre Augen glitzerten, und sie glühte vor Erregung. Aufmerksam blickte sie mich an.
    »Sie sehen blaß und mitgenommen aus, László. Ich glaube, Sie sorgen nicht ordentlich für sich.«
    Sie streckte die Hand aus und strich mit der Rückseite ihrer Finger über meine Wange. Es war eine zarte Geste der Fürsorge, aber ich zuckte davor zurück, als hätten sich ihre Fingerspitzen in eine offene Wunde gebohrt.
    »Ich schätze, ich arbeite zuviel«, sagte ich schnell und zwang mich zu einem starren Lächeln. »Wie Sie sehen, bin ich ein bißchen überreizt.« Aber meine Entschuldigung konnte die Verletztheit, die ich auf ihrem Gesicht sah, nicht zum Verschwinden bringen. Beschämt gestehe ich das Verspüren von Genugtuung ein, Genugtuung über meine Macht, ihr Schmerzen

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