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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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Gedanken nur auf einen anderen Sommer; den Sommer, als es ihn nach Henry in Kansas verschlagen hatte. Er war nur ein oder zwei Jahre älter gewesen, als sein Neffe es jetzt war, und er hatte sich an demselben Bewässerungsgraben neben derselben Scheune auf die Ellenbogen gestützt. Er hatte über das weite Land und den sanften Himmel geblickt und sich gefragt, wo genau er eigentlich hingehörte.
    Henry wälzte sich im Schlaf herum und sein Fuß näherte sich dem im Graben stehenden Wasser.
    »Henry«, sagte Frank. »Junge, wach auf.« Er fasste ihn an der Schulter und schüttelte ihn.
    Henry zuckte zusammen. Er schlug die Augen auf und blinzelte seinen Onkel an. Frank hielt ein Stückchen Putz zwischen Zeigefinger und Daumen. Er lächelte, warf den Putz in die Höhe und schlug mit seinem Baseballschläger daran vorbei.

    »Schlecht geträumt, Henry?«, fragte er. »Hast jedenfalls nicht allzu fröhlich ausgesehen. Darum habe ich dich geweckt.«
    Henry sah zu, wie Onkel Frank noch ein Stückchen Putz vom Boden aufhob. Dieses Mal traf er und beförderte den Klumpen mit einem kräftigen Schlag in das Feld auf der anderen Seite des Grabens.
    »Na ja«, meinte Henry. »Vielleicht kein richtig schlimmer Traum. Eher ein merkwürdiger.«
    »Gefällt es dir hier draußen in den Feldern?«, fragte Frank.
    Henry nickte.
    »Mir auch«, sagte Frank. »Ich kann hier gut nachdenken.« Er räusperte sich. »Weißt du, Henry, seit unserem letzten Gespräch über Steppenläufer habe ich ein bisschen Lebensweisheit hinzugewonnen.« Er hob die Augenbrauen. »Ich habe immer gedacht, man kann einen japanischen Geschäftsmann und sein Geld leicht voneinander trennen. Aber jetzt weiß ich es besser. Das trifft nur zu, wenn man aus Texas stammt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nur eine oder zwei Stunden, nachdem die Auktion für meine Steppenläufer beendet war, hat ein Typ ein Verkaufsangebot für »Echt texanische Steppenläufer« ins Netz gestellt. Er hat noch ein Echtheitszertifikat dazugeschmissen und ein kleines gerahmtes Foto von dem
Ort, wo er die Steppenläufer gefunden hat. Daraufhin haben meine Käufer einen Rückzieher gemacht und sein Zeug gekauft.«
    »Oh, das tut mir leid, Onkel Frank.« Henry schielte kurz nach der Decke und dem Putz und sah dann schnell zurück zu seinem Onkel. »Und was machst du jetzt mit dem ganzen Unkraut in der Scheune?«
    »Es wieder freilassen«, seufzte Frank. »Ist ja ohnehin wildes Zeug und für ein Leben in Gefangenschaft nicht geschaffen. Mir bricht das Herz, wenn ich es mir in einem Käfig oder so vorstelle.« Drei Putzklümpchen stiegen nacheinander in die Höhe. Frank verpasste nur das letzte.
    »Müssen wir sie jetzt zurückbringen?«, fragte Henry. »Zurück zum Abflussrohr?«
    »Nee. Ich werfe sie einfach auf den Hof. Der Wind wird das tun, was er immer tut, und die Steppenläufer werden umherkugeln, solange die Welt sich dreht, wie sie sich immer gedreht hat, und sie werden in den nächsten Abzugsgraben fallen.«
    Frank stützte sich auf den Baseballschläger und rappelte sich hoch. Henry machte es ihm nach.
    »Vielleicht werden sie auch noch eine Weile frei herumrollen«, sagte Frank. »Ich würde mich freuen, wenn sie ein bisschen was von der Welt sehen und die ein oder andere Reise machen, bevor sie sich niederlassen.« Er
drehte sich um. »Wir haben einen anstrengenden Tag vor uns. Also, machen wir uns auf und gehen zurück.«
    »Was haben wir denn vor?«, fragte Henry.
    »Gestern Abend habe ich dein Messer schon ein bisschen geschärft, aber ich möchte die Klinge noch etwas feiner schleifen.« Frank hielt den Baseballschläger in die Höhe. »Und ich habe das hier aus der Scheune ausgegraben. Wir können also ein bisschen Baseball spielen.« Er stapfte durch das hohe Gras davon. »Vergiss deine Decke nicht«, rief er über die Schulter zurück. »Aber du solltest sie besser noch mal ausschütteln. Sie sieht ziemlich mörtelig aus.«
    Henry schüttelte seine Decke aus, dann folgte er Onkel Frank nervös Richtung Scheune.
    »Stimmt es, Henry, dass du heute Morgen die Treppe runtergefallen bist?«, sagte Onkel Frank. »Dafür siehst du eigentlich noch ganz gut aus. Ich bin diese Treppe auch schon mal runtergefallen. Aber ich habe mir dabei das Schlüsselbein gebrochen.«
    »Ja«, antwortete Henry. »Es war noch früh. Ich hatte Angst, wieder so lange zu schlafen.«
    »Oh, mach dir deswegen keine Gedanken«, sagte Onkel Frank. »Jungen wie du müssen während der Sommerferien lang schlafen.

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