Das Geheimnis der 100 Pforten
Ich wüsste nicht, wie sie sonst wachsen sollten. Dots sagt aber, ich soll dir für dein Zimmer eine Uhr besorgen. Ich glaube allerdings
nicht, dass ich etwas Passendes in der Scheune habe. Jedenfalls nichts, was funktioniert. Warten wir mal ab, ob sie noch mal damit kommt.«
Frank begann zu pfeifen. Er sah sich kurz um, um sicherzugehen, dass Henry sich weit genug weg befand, dann schwang er seinen Schläger durch das Gras. Neben ihnen ragte die Scheune in die Höhe.
»Onkel Frank, hast du noch mehr alte Poster?«, fragte Henry. Er versuchte, nicht nach schlechtem Gewissen zu klingen. »In der Scheune, meine ich? Damit ich noch welche in meinem Zimmer aufhängen kann?«
Frank dachte nach. »Weiß nicht genau. Ich werde mal nachsehen.« An der Hintertür blieb er stehen. »Fangen wir erst mal mit deinem Messer an. Nach dem Essen üben wir dann ein bisschen Baseball. Wo ist denn dein Messer eigentlich? Du hast es dir wohl genommen. Ich hatte es nämlich auf der Anrichte liegen gelassen.«
»Ja, es ist oben in meinem Zimmer. Ich gehe es holen.« Henry lief um seinen Onkel herum, streifte in der Abstellkammer schnell die Schuhe ab und rannte die beiden Treppen nach oben. In seinem Zimmer warf er die Decke auf das Bett, verstaute mit einem Tritt seine dreckigen Klamotten aus der vergangenen Nacht darunter, schnappte sich sein Messer von der Kommode und lief dann schnell wieder nach unten. Onkel Frank saß am Esszimmertisch.
»Warum soll ein Junge wie er denn nicht laufen?«, fragte Frank gerade. »Er freut sich, dass sein Messer geschliffen wird.« Er wickelte ein altes Tuch auseinander.
Tante Dotty kam aus dem Wohnzimmer dazu. Sie lächelte.
»Sei vorsichtig, Henry. Wenn er fertig ist, wird von dem Messer nicht mehr allzu viel übrig sein. Und wenn du eine gerade Schneide haben willst - darin ist er auch nicht besonders gut.« Sie zog wieder ab, bevor Frank antworten konnte.
»Es wird richtig schön scharf sein!«, rief er ihr hinterher. »Keine Ahnung, worüber sie sich beklagt. Also, Henry. Gib rüber.« Henry gehorchte und Onkel Frank sah sich das Messer an an.
»Um ehrlich zu sein, Henry«, sagte er. »Ich weiß gar nicht, warum ich dir dieses Messer überhaupt gekauft habe.«
Henry rutschte das Herz in die Hose. Er hatte sich schon gewundert, warum sein Onkel wegen der Decke und der riesigen Menge Putz nicht misstrauisch geworden war. Und jetzt war der Ärger wohl vorprogrammiert.
»Es ist absolut wertlos«, fuhr Frank fort. »Die Klinge ist schon total abgenutzt und die Spitze ist abgebrochen. Ich kann es dir zwar immer noch schleifen, aber eigentlich brauchst du ein neues. Du kannst ruhig gehen und
ein bisschen tun, was du willst. Hierfür werde ich eine Weile brauchen. Ich rufe dich dann, wenn ich fertig bin.«
»Wenn du Lust hast - deine Cousinen sind zum Spielen in die Scheune gegangen«, rief Dotty aus dem Wohnzimmer, wo der Staubsauger brummend zum Leben erwachte.
»Danke«, rief Henry. Aber er lief nach oben in sein Zimmer. Als er dort ankam, traf er Henrietta, die auf seinem Bett kniete und die Wand betrachtete. Ihr Haar war zu einem säuberlichen Zopf nach hinten geflochten.
»Ich habe das Poster schon abgenommen«, sagte sie. »Hoffentlich macht es dir nichts aus.« Sie sah ihn mit einem breiten Grinsen über die Schulter hinweg an. Ohne ihre dicken Locken wirkte sie ganz anders. Irgendwie jünger. Henry sah zu, wie sie beide Hände an die Wand legte und die Türen und Fächer betastete. »Wozu die wohl alle sind?«, fragte sie.
»Vielleicht um etwas hineinzutun«, meinte Henry. »Ich meine, etwas Spannendes«, fügte er hinzu.
Henry ließ sich neben sie plumpsen und sie starrten gemeinsam die kleinen Türchen an.
»Was meinst du, wie viele es noch gibt?«, fragte Henrietta.
»Ich wette, die ganze Wand ist voll davon«, antwortete Henry.
»Hast du bei allen versucht, sie aufzumachen?« Sie drehte an einem Knauf.
Henry nickte. »Habe ich. Ich habe letzte Nacht mein Messer ruiniert, um den Putz abzukratzen. Und heute Nacht kann ich nicht weitermachen, weil dein Vater es mir gerade wieder schärft. Wenn es morgen schon wieder stumpf ist, wird er sich ganz schön wundern.«
Henrietta dachte nach. »Im Keller gibt es ein paar alte Werkzeuge und in der Scheune sind auch noch welche. Da ist bestimmt auch ein Meißel dabei. Soll ich mal nachsehen?«
»Das wäre gut«, sagte Henry. »Ich habe letzte Nacht ewig gebraucht. Und ich habe die ganze Zeit Angst gehabt, dass ich die Türen
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