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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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das Messer offen hielt, und an den Fingerknöcheln beider Hände war die Haut abgeschürft.
    Auf Zehenspitzen tappte Henry durch den Schutt und wühlte ein paar Klamotten aus den vollgestopften Schubladen seiner Kommode. Er zog sie an und ging dann in die Küche hinunter, um einen Besen und eine Kehrschaufel zu holen. Dabei fiel sein Blick auf die Uhr im Esszimmer, und ihm wurde klar, warum noch niemand wach war. Er kehrte den gesamten Staub und Schutt von seinem Fußboden und vom Dachboden auf und kippte alles auf seine Bettdecke. Er fegte die Wände ab, seine Lampe, seine Kommode und seinen Nachttisch. Aber so viel er auch kehrte - es blieb immer noch Staub übrig, der so fein war, dass er einfach nur vom Besen aufgewirbelt wurde und in die Luft flog.
    Schließlich gab Henry die Feinarbeiten auf. Er hängte sein vorsintflutliches Kansas-Basketball-Poster um, damit es einen Teil dessen verdeckte, was er der Wand angetan hatte, überlegte, wo er noch mehr Poster herbekommen konnte, und packte seine Decke an den Ecken, um sie hinaus neben die Scheune zu tragen.
    Er zerrte den provisorischen Sack zur Treppe und begann, ihn Stufe um Stufe herabzuhieven. Allerdings hatte er nicht bedacht, wie schwer die Sache werden würde. Als er bei der vierten Stufe ankam, schwitzte er schon, und sooft er die Decke anhob, wirbelte Staub daraus
auf und legte sich auf seine Haut. Als er am Fuß der zweiten Treppe angekommen war, war er fix und fertig. In der Abstellkammer setzte er sich erst einmal hin, um zu Atem zu kommen und sich die Schuhe anzuziehen.
    Als Henry endlich an der Scheune ankam, drehte er sich um und sah zurück zum Haus. Er hatte mit seinem Sack voller Putz eine verräterische Spur durch das hohe Gras gezogen, aber das konnte er im Moment nicht ändern. Dann betrachtete er den kleinen Haufen Putz, den er in der vergangenen Nacht hier abgeladen hatte, und verglich ihn mit der Größe des neuen Sacks. Er war noch zu nah am Haus.
    Um den Sack nicht durch das noch höher stehende Gras und Unkraut zu zerren, das zu den Feldern hinter der Scheune führte, lud er ihn sich auf die Schultern und wankte weiter. Er wusste nicht, wie weit er ihn bringen sollte, aber er hatte das Gefühl, ihn nicht allzu lange tragen zu können und ihn abwerfen zu müssen, sobald er stehen blieb.
    Das Gras hinter der Scheune kratzte an seinen Ellbogen, als er hindurchschritt. Dann endete das hohe Gras und unmittelbar vor seinen Füßen verlief ein alter Bewässerungsgraben. Henry warf die Decke ab, fasste sie an zwei Ecken und sah zu, wie das Werk seiner Zerstörung die Böschung des Grabens hinab bis in das unten stehende Wasser rutschte. Dann setzte er sich. Er
schwitzte, und da er sich jetzt nicht mehr bewegte, begann er, in der sanften Morgenbrise zu frieren. Er legte sich in den Windschatten, den das hohe Gras bot, und ihm wurde wieder warm. Erschöpfung machte sich in Henrys Knochen breit und er schlief ein.
     
    Sofern Wasserflöhe weiter als einen Meter sehen können, werden einige von ihnen Henrys Fußsohlen und seine Hosenbeine gesehen haben. Auf Onkel Frank aber werden diese scharfsichtigen Flöhe einen wesentlich besseren Blick gehabt haben. Frank saß neben Henry und streckte seine Beine die Böschung des Bewässerungsgrabens hinab. In seiner rechten Hand hielt er einen hölzernen Baseballschläger, mit seiner linken Hand suchte er die Böschung nach Putzkrümeln ab. Wenn er wieder einmal eins gefunden hatte, warf er es locker in die Luft, wo er es mit dem Schläger über den Graben schlug oder auch nicht traf und dann zusah, wie es auf die Böschung fiel und in den Graben und ins Wasser hinabhüpfte. Von Zeit zu Zeit sah er in Henrys Gesicht. Dotty hatte ihm erzählt, wie früh Henry an diesem Tag aufgestanden war und wie der Tag für ihn auf der Treppe begonnen hatte. Franks Aufgabe war es gewesen, Henry zu finden - und dies war ihm nun gelungen.
    Frank Willis war ein nachdenklicher Mann, auch wenn er nicht immer so aussah. Während er dort saß und nach
Putzkrümeln schlug, dachte er nach. Die meisten Leute aus Henry in Kansas, die, die ihn für mickrig hielten, hätten ihm unterstellt, dass sich seine Gedanken nur auf das unmittelbar vor ihm Liegende beschränkten. Sie wären davon ausgegangen, dass er über seinen Neffen nachdachte, über eine verdreckte Decke und über Mörtelstückchen, die auf der Böschung verstreut lagen und im Wasser auf dem Grund des Grabens.
    Frank hatte diese Dinge durchaus bemerkt, aber sie lenkten seine

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