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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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hinunter.
    Einen Augenblick später hörte Henry Tante Dottys Stimme.
    »Frank, was machst du denn?«
    »Ich brauche noch ein paar Werkzeuge. Bin gleich wieder zurück.«
    »Klappt es denn?«
    »Einigermaßen.«
    Henry hörte die Hintertür zuschlagen. Er war allein mit seinen Gedanken und dem Kater, der wieder aufgetaucht war, am anderen Ende des Flurs saß und sich putzte. Henry sah den Kater an. Der Kater sah ihn an.

    »Es tut mir leid - diese Sache beim letzten Mal«, sagte Henry. Der Kater musterte ihn von unten bis oben, dann fuhr er sich weiter mit der Zunge über das Fell.
    Fünf Minuten lang saß Henry auf dem grünen Teppich der Diele. Schließlich wurde ihm langweilig. Er stand auf und wollte in sein Zimmer gehen. In diesem Moment tauchte Onkel Frank mit einer Axt in der Hand auf der Treppe auf. Das Blatt war rostig und hatte ein paar rote Farbflecken. Aber die Schneide sah scharf aus. Henry überlegte, wann sein Onkel sie wohl zuletzt benutzt hatte. Oder ob er sie einfach regelmäßig schärfte, wie die Messer von Tante Dotty.
    Frank packte den Stiel der Axt fest mit der Hand und lachte. »Jetzt geht’s los, Henry. Jetzt machen wir ernst.« Henry ging aus dem Weg, als Frank sich der Tür näherte. Frank griff sich an den Hals und fischte eine schwarze Schnur unter seinem T-Shirt hervor. Ein silberner Ring baumelte daran.
    Frank drückte rasch einen Kuss darauf, dann stopfte er den Ring zurück unter sein Shirt. Während er sich in der Hüfte wiegte, rutschte seine rechte Hand an das obere Ende des Schaftes und seine linke an das untere. Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und neigte den Kopf von einer Seite zur anderen. Für Henry war offensichtlich, dass Frank, auch wenn er vielleicht etwas aus der Übung war, früher viel mit der
Axt gearbeitet haben musste und es offenbar gern getan hatte.
    Frank holte aus, seine Hüfte kreiste und seine rechte Hand glitt den Schaft hinab zu seiner linken.
     
    Früher einmal war Großvaters Tür eine ganz normale Fichtentür gewesen. Sie bestand aus vier Kassetten: oben zwei große horizontale Rechtecke und unten zwei kleinere. Sie war dunkel gebeizt, in der Farbe von Walnussholz.
    Es gibt Orte, an denen ganze Wälder versteinert sind. Üblicherweise findet man sie auf dem Grund von Seen, die nach Vulkanausbrüchen entstehen. Großvaters Tür bestand nicht aus versteinertem Holz und erst recht nicht aus Fels. Aber sie war beidem sehr ähnlich. Ihr Herz war härter als Stein, denn es war weniger spröde. Eine versteinerte Tür hätte Franks Axt vielleicht durchschlagen. Nicht aber Großvaters Tür.
    Das Blatt der Axt donnerte gegen das Holz und federte zurück. Frank lehnte die Axt gegen die Wand, schüttelte seine Hände aus und untersuchte die Kerbe, die er hinterlassen hatte. Er hatte rechts in die Fuge neben der obersten Kassette getroffen. Diese Stelle war so dünn wie jede andere Stelle der Tür und die Axt hätte ohne Probleme hindurchgehen müssen. Stattdessen war die Scharte seines Schlags höchstens drei Millimeter tief.

    Frank schwieg. Er sah auch nicht zu Henry. Er nahm die Axt und holte erneut aus.
    Henry sah zu, wie Schlag um Schlag von der Tür abprallte. Links und rechts schlug Frank zu, immer am Rand der Kassetten entlang. Die Axt sprang und hüpfte, rutschte und glitt ab. Schließlich hielt Frank schwer atmend inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Teppich war übersät von kleinen Holzsplittern.
    »Henry«, stieß er zwischen zwei Japsern hervor. »Ich weiß nicht, ob das klappt.« Er nahm die Axt und fuhr mit dem Finger über die Schneide. »Schon stumpf«, knurrte er.
    »Geben wir auf?«, fragte Henry.
    »Nein. Wir sind heute Abend zum Grillen eingeladen. Ich habe Dots versprochen, dass ich die Tür bis dahin irgendwie aufbekommen habe. Lauf und tu, was dir Spaß macht! Ich muss mir die Sache ein bisschen durch den Kopf gehen lassen.«
    »Bist du sicher? Brauchst du mich nicht irgendwie?«
    »Nein. Zisch ab!«
    Henry ging zu Großvaters Tür und befühlte sie. Die Kerben waren nicht tief, dafür aber sehr zahlreich.
    »Warum funktioniert die Axt nicht?«
    »Keine Ahnung. Das ist es ja, worüber ich nachdenken muss. Dein Großvater war ein merkwürdiger Vogel. Im Tod genauso selbstsüchtig wie im Leben. Aber das hier
übertrifft alles. Jetzt lauf! Ich bin in der Scheune. Wenn du meinen nächsten Versuch mitbekommen willst - du wirst es schon hören, wenn ich wieder hier bin.« Damit schulterte Frank die

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