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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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auf. Sie brauchte nicht lange, um sie zu holen, und als sie zurückkam, schloss sie beide Türen sorgfältig hinter sich und ging zu Henrys Leselampe. Nachdem sie diese ausgeknipst hatte, war der Raum so gut wie stockfinster. Bis auf ein kleines bisschen Tageslicht, das unter dem Türspalt durchfiel, gab es kein Licht.
    Henry versuchte, nicht zu zittern. Das alles hier war keine Einbildung. Er hatte diese Türen wirklich entdeckt, und er wusste nicht, was dahintersteckte. Mit einem Mal fragte er sich, ob wohl etwas, das in einem
geheimen Fach aufgehoben wurde, wirklich erfreulich sein könnte.
    Henrietta schaltete ihre Taschenlampe ein und reichte sie ihm.
    »Nimm«, sagte sie. »Und guck rein. Du hast die Tür doch gefunden.«
    Henry nahm die Lampe. Er kniete sich auf sein Bett, hielt die Taschenlampe neben sein rechtes Auge und sah - heftig schluckend - durch die Tür.
    »Ich glaube, ich kann etwas sehen.« Er drehte seinen Kopf ein wenig. »Sieht aus wie ein Briefumschlag.« Er reichte Henrietta die Lampe und krabbelte ihr aus dem Weg. Sie beugte sich vor und sah hinein.
    »Es sieht flacher aus als ein Briefumschlag«, sagte sie. »Vielleicht eine Postkarte.«
    Henry legte seine Hand an die Wand und beugte sich zu ihr herab.
    »Du musst deinen Kopf ein bisschen zur Seite nehmen«, sagte er. Henrietta gehorchte, und er sah noch mal hinein, während er sich an der Wand mit den Fächern abstützte. An irgendetwas, das aus Metall war, hielt er sich fest. Das Etwas verrutschte und Henry stürzte auf Henrietta. Sie kreischte. Gemeinsam purzelten sie vom Bett. Über ihnen knallte die Tür eines Fachs gegen die Wand.
    Henry rührte sich nicht. Seine sämtlichen Sinne waren angespannt. Die Taschenlampe war aus. Seine Augen
schmerzten, weil er sie so weit aufriss. Durch das Licht, das unter der Tür hindurchfiel, konnte er Henrietta auf dem Boden liegen sehen. Er roch etwas Merkwürdiges und fühlte kalten Wind auf seiner Haut. Er konnte ein Rascheln hören und dass Henrietta die Tränen unterdrückte. Er schmeckte Angst in der Kehle, zugespitzt bis zum Schmerz.
    Henry hatte sich nie für mutig gehalten. Er war es auch nie gewesen. Was er als Nächstes unternahm, war auch kein Akt überragenden Mutes, aber es hatte Erfolg. Obwohl sich jeder Zentimeter seiner Haut bei der Berührung der eisigen Brise zusammenzog, setzte Henry sich auf, tastete sich zum Kopfende des Bettes vor und knipste das Licht an. Die Tür genau über dem Postfach schwang sanft vor und zurück, berührte leicht die Wand und fiel dann fast wieder zu.
    Er sah zu Henrietta. Sie sah zu ihm. Ihr Gesicht war totenbleich und ihre Augen weit aufgerissen.
    »Alles klar bei dir?«, flüsterte er.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Henry hob die Hand und hielt sie vor die Tür, die sich weiter bewegte. »Da kommt Luft heraus.«
    Einen Augenblick waren beide still und lauschten.
    »Hörst du das?«, fragte Henrietta. »Was ist das?«
    »Hört sich an wie das Rauschen von Bäumen«, antwortete Henry.

    »Sollen wir hineinsehen?«, schlug Henrietta vor.
    Henry kletterte auf sein Bett. Ein kühler Wind wehte um sein Gesicht und durch seine Haare. Er kam aus dem Fach. Henry hielt die Tür fest.
    Henrietta kletterte neben ihn.
    »Da drinnen liegt etwas. Auf dem Boden«, sagte Henry. Er streckte seine Hand aus. Er konnte kaum sehen, wonach er da angelte. Es war nur ein Umriss. Dann ertasteten seine Finger etwas und er packte zu. Es war eine Schnur. Er zog die Schnur heraus. Unterhalb seiner Finger baumelte ein kleiner Schlüssel.
    Die Brise, die aus dem Schrank wehte, verwandelte sich plötzlich in eine heftige Böe. Henrys Zimmertür wurde aufgestoßen, Staub wirbelte hoch und wehte über den Boden zum Dachbodenfenster. Das Rauschen der Bäume dröhnte wie ein Wasserfall. Henry und Henrietta konnten hören, wie sich Äste bogen und brachen. Dann rochen sie es, unerwartet und frisch. Irgendwo auf der anderen Seite des Faches hatte es zu regnen begonnen.
    »Mach schnell zu!«, rief Henrietta. »Mom und Dad werden es hören. Sie werden es spüren .«
    Henry schloss die Tür mit dem Wind. Dann legte er den Metallriegel vor und es war still im Zimmer.
    »Wie hast du die Tür denn aufbekommen?«, wollte Henrietta wissen.
    »Ich glaube, sie war gar nicht zugeschlossen«, sagte
Henry. »Sie hat wohl nur geklemmt. Ich habe mich dagegengelehnt, um durch das Glas zu sehen, und da ist sie aufgegangen.«
    Henrietta strich sich die Haare aus dem Gesicht und zog die Augenbrauen in die

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