Das Geheimnis der 13 Sprache
Wassermann.«
»Ich muss ihn sofort finden«, sagte ich. »Wohin ist er gegangen?«
»Ich habe doch gesagt, dass er Wasser für mich holt«, erwiderte die Frau. »Ich bin auch ein wenig in Sorge. Er ist vor elf Jahren aufgebrochen.«
»Dann muss ich mich beeilen«, meinte ich. »Wo genau kann ich ihn finden?«
»Du findest ihn«, sagte sie, »genau dort, wo der Fluss, der bergauf fließt, in seinem Krug endet.«
Es war einfach, den Wassermann zu finden, nicht nur, weil die Beschreibung der alten Frau gut war, sondern auch, weil er ein Riese war, ein gewaltiger Riese, gigantischer als ein Berg. In seinen Händen hielt er den größten Krug, den man sich vorstellen kann.
»Die Frau braucht Wasser, um weiter Wäsche zu waschen«, rief ich, so laut ich konnte, ohne allzu große Hoffnung, dass er mich hören würde.
Doch nach ein paar Versuchen blickte er kurz in meine Richtung. Als er mich entdeckte, nahm er mich in seine Hand und hielt mich nahe an sein Gesicht.
»Was hast du gesagt?«, fragte er mit drohender Stimme.
»Die Frau braucht Wasser, um die Wäsche zu waschen«, erwiderte ich, glücklich darüber, nicht mehr schreien zu müssen.
»Das habe ich fast vergessen. Aber ich kann noch nicht gehen, weil der Krug noch nicht voll ist.«
»Und wann wird er voll sein?«, wollte ich wissen, denn ich sah, dass noch viel fehlte.
»Der Krug wird voll sein, wenn der Fluss aufhört bergauf zu fließen.«
»Und wann ist das?«, fragte ich weiter, weil auch ich das wissen wollte.
»Wenn die Pfeile beginnen bergab zu fliegen«, erwiderte er.
»Und wie lange dauert das?«
»Ich weiß es nicht genau. Aber ich denke, dass wir noch ein Jahr Zeit haben«, gab er zur Antwort.
Wieder ein Jahr warten, dachte ich, kann das nicht alles schneller gehen? Ich hatte noch so viel zu tun. Ich musste das Bild fertig malen, Ritannas Armreif finden und die 13. Sprache lernen.
Mir war klar: Um den Wunsch des gelben Fisches, das Bild fertig zu malen, zu erfüllen, hatte ich genug Zeit. Den Wunsch des roten Fisches, Ritannas Armreif zu finden, konnte ich vielleicht auch erfüllen. Dazu müsste ich den Wassermann bitten, mich die Sprache des Wassers zu lehren, dann könnte ich es fragen, wo der Armreif war. Aber den Wunsch des blauen Fisches, die 13. Sprache zu erlernen, würde ich nicht erfüllen können. Dafür blieb mir nicht mehr genug Zeit!
So bat ich den Wassermann mich die Sprache zu lehren, mit der ich verstehen könnte, was das Wasser sprach. Er war einverstanden, doch musste ich auch ihm helfen. Jeden Tag hatte ich einen Kübel Wasser zu der Frau zu bringen, damit sie die Wäsche waschen konnte. Auf dem Weg malte ich Pflanzen, Tiere und Steine. Es war sehr praktisch, mit Wasserfarben zu malen und Wasser zu tragen. Noch praktischer war es, die neue Sprache mit dem Wasser im Kübel zu üben. Wahrscheinlich lernte ich sie deshalb so schnell.
Eines Tages, ein Jahr war fast vorüber, saß ich am Rand des Kruges, um das hineinfließende Wasser zu betrachten. Ich musste kein Wasser mehr tragen, denn die Frau hatte alle Wäsche gewaschen.
»Was hast du mit dem ganzen Wasser vor?«, fragte ich den Wassermann. »Die Frau ist doch längst fertig.«
»Wahrscheinlich«, sagte er, »werde ich es in den Fluss zurückschütten.«
»Mhm«, meinte ich, »und wann?«
»Das habe ich dir schon gesagt: Wenn die Pfeile bergab fliegen«, antwortete er.
Plötzlich bekam ich so starke Zahnschmerzen wie nie zuvor. Um sie zu vergessen, sprang ich in den Krug. Ich presste meine Arme eng an den Körper, wie wir es als Kinder getan hatten, wenn wir versucht hatten bis auf den Grund des Flusses zu tauchen. Es funktionierte auch diesmal. Ich spürte den Boden des Kruges unter meinen Füßen. Dann ging ich in die Knie, wollte mich abstoßen, öffnete meine Augen und sah etwas glitzern. Ich hatte keine Zeit herauszufinden, was es war. Ich ergriff es und tauchte schnell nach oben.
Als Erstes hörte ich die begeisterte Stimme des Wassermannes: »Du hast Ritannas Armreif gefunden!«
Und wirklich: Ich öffnete die Augen und sah, dass ich den Armreif in meinen Händen hielt.
»Du kannst dir wünschen, was du willst. Denn wer Ritannas Armreif besitzt, dem wird ein Wunsch erfüllt«, meinte der Wassermann. »Schade, dass ich ihn nicht gefunden habe, denn dann könnte ich mir wünschen, in Ritannas Königreich zu gelangen, um dort ewig zu leben.«
Zuerst dachte ich, mit dem Armreif könnte ich mir meine Zahnschmerzen endgültig wegwünschen. Aber
Weitere Kostenlose Bücher