Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
entkäme. Dann nahm er Gerardo sanft die Leiche aus dem Arm und übergab sie zwei weiteren Häschern, die er ebenfalls zum Palazzo schickte. Schließlich ließ er zwei Männer als Wache vor dem Eingang des eingestürzten Hauses zurück und stieg selbst in das unterirdische Gewölbe hinab, nachdem er sich von Gerardo den Weg hatte beschreiben lassen.
Als Pantaleone außer Sichtweite war, wandte sich der junge Tempelritter an Mondino: »Meister, wie geht es Euch?«
»Schlecht. Ich brauche Liuzzo.« »Wollt Ihr, dass ich schnell zu ihm laufe und ihn hierherhole?«
»Nein, die Straßen sind immer noch unsicher«, antwortete Mondino. »Gehen wir besser zu ihm. Wenn du mir hilfst, kann ich laufen.«
Gerardo stellte sich neben ihn. Mondino legte ihm den gesunden Arm um die Schultern und presste mit der anderen Hand den Stofffetzen fest auf die Wunde. So machten sie sich auf den Weg. Gerardo schwieg und bewegte sich, als wäre seine Seele vom Körper losgelöst. Es war offensichtlich, dass er für Fiamma Sensi viel mehr als nur schlichte Sympathie empfunden hatte, und Mondino wollte seine Trauer nicht stören.
Aber als sie den Platz vor Santo Stefano erreichten, konnte er sich nicht mehr zurückhalten.
»Und das Geheimnis des Eisens?«, fragte er gespannt.
»Ist verloren«, antwortete Gerardo abwesend. »Fiamma applizierte das Präparat in das Herz ihrer Opfer mit Hilfe eines hohlen Stiletts. Nachdem sie das Gift selbst getrunken hatte, ist ihr die Waffe aus der Hand geglitten, und das Pulver hat sich auf dem Boden verteilt.«
Für Mondino war diese Nachricht ein weiterer schmerzhafter Schlag; er empfand sie wie einen Hieb. Adia hatte Recht gehabt mit dem Stilett, aber letzten Endes war das Geheimnis doch verloren gegangen und alles vergeblich gewesen.
»Fiamma hat Remigio das Gift in den Fuß injiziert«, fuhr Gerardo nach einer Weile fort. »Das Blut des Bankiers hat sich vor meinen Augen in Eisen verwandelt. Wenn Ihr der Meinung seid, dass etwas so Grauenhaftes dem Wohl der Wissenschaft dienen sollte, dann könnt Ihr seinen Leichnam studieren.«
Mondino hörte seine Worte, doch er brachte keine Antwort heraus. Er spürte, wie seine Kräfte schwanden, und musste all seine Konzentration aufwenden, um einen Fuß vor den anderen zu setzen und darauf, dass ihn diese Schritte in Sicherheit bringen würden. Alles andere hatte Zeit.
Sie schwankten weiter Richtung Via San Vitale und hielten einander umklammert wie zwei Betrunkene nach einer durchzechten Nacht.
EPILOG
I m Hafen von Porticella pulsierte unter der Junisonne das Leben. Alles war wie immer. Mondino verließ vorsichtig das Boot, sorgsam darauf bedacht, den rechten Arm nicht ruckartig zu bewegen. Die Wunde an der Schulter hatte sich geschlossen und war dabei, vollends zu heilen, aber Liuzzo hatte ihn ermahnt, sie einen weiteren Monat nicht zu belasten.
Er öffnete die Gürteltasche, holte eine Münze heraus und bezahlte den Bootsführer. Dann machte er sich auf den Weg zu dem Gasthaus, in dem Adia lebte, und bemühte sich, nicht zu schnell zu gehen.
Er konnte es kaum erwarten, sie wieder in die Arme zu schließen. Während des Prozesses wegen der Eisenherzmorde, wie das Volk sie jetzt nannte, hatte er sie aus seinem Leben ausgeschlossen, um sie nicht zu verraten. Er und Gerardo hatten ihre Aussagen abgestimmt und nur von einer Kräuterhexe gesprochen, die ihnen jedoch nichts Wichtiges enthüllt hatte und nach dem Angriff von Guido Arlotti und seinen Spießgesellen irgendwohin geflohen war. Niemand hatte ihren Behauptungen widersprochen, weil das Rätsel um die Mörderin enthüllt worden war. Was sich als Makel auf den Amtszeiten des Podestà und des Capitano del Popolo hätte erweisen können, hatte sich als größter Erfolg ihrer Laufbahn erwiesen, und vor diesem Hintergrund hatten beide kein Interesse, den Dingen tiefer auf den Grund zu gehen. Umso mehr, da der Prozess wegen Fiamma Sensis Verbrechen von einem noch bedeutenderen überschattet wurde: dem gegen die Templer in
der Provinz Ravenna, der am 21. Juni mit einer Anerkennung ihrer absoluten Schuldlosigkeit und damit im Sinne der Anklagen geendet hatte. Rinaldo da Concorezzo hatte die Ritter zu einer einfachen »Reinigung« verpflichtet, was bedeutete, dass sie vor ihren Bischöfen erscheinen und sich zum katholischen Glauben bekennen mussten, von mindestens sieben glaubensfesten Zeugen unterstützt. Danach, so lautete das Urteil, würden sie frei sein.
Es war noch nicht klar, wie Philipp der
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