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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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die Häscher ins Haus schicken würde, und war deshalb in aller Eile umgezogen. Ihren kleinen Gefangenen hatte sie wahrscheinlich mitgenommen. Es wäre zu gefährlich gewesen, die Nachbarn zu fragen, wohin sie gegangen war, und er zweifelte auch, ob sie es wussten. Gerardo wollte gerade gehen, da packte ihn jemand an den Knöcheln. Es gelang ihm, den Angreifer mit einem Fuß im Gesicht zu treffen, der ihn daraufhin fluchend losließ. Gerardo sprang hinunter und fand sich einem klapperdürren Mann mit einem ungepflegten Bart und ohne Vorderzähne gegenüber, unter dessen zu kurzer Tunika geflickte Beinlinge hervorschauten. Doch am meisten wurde sein Blick von dem langen Dolch gefesselt, den der andere mit einer schnellen Bewegung unter seinem Gewand hervorzog.
    »Bernardo! Komm her, um Gottes willen!«
    Als er diesen Namen hörte, erinnerte sich Gerardo, was Filomena am vergangenen Abend gerufen hatte. Das waren also ihre Spießgesellen, die sie zurückgelassen hatte, um die Wohnung zu bewachen, vielleicht in Erwartung seiner Rückkehr. Er hörte ein Geräusch hinter sich, ungefähr vier oder fünf Schritte entfernt, sah sich aber gar nicht erst um, sondern griff gleich den Mann vor sich an und überraschte ihn damit. Mit einer Hand packte er den Arm, der den Dolch hielt, drehte das Handgelenk seines Angreifers um, bis dieser die Waffe fallen ließ, und mit der anderen versetzte er ihm einen Schlag gegen die Kehle, dass der Mann keuchend auf dem Boden zusammenbrach.
    Gerardo bückte sich, um die Waffe aufzuheben, und rollte sofort zur Seite, um dem Angriff des zweiten Mannes auszuweichen, der sich auf ihn gestürzt, doch ins Leere gegriffen
hatte. Gerardo versetzte ihm einen Fußtritt gegen den Kopf und schleuderte ihn auf seinen Kumpan. Noch während seine Angreifer sich mühsam aufrappelten, drehte er sich um und rannte so schnell er konnte auf den Platz zu. Er kam in der Nähe der Schwemme aus der Gasse heraus, wo die gleichen Jungen wie am Vorabend mit einem Ball aus Lumpen spielten. Bevor sie ihn wiedererkennen konnten, verbarg Gerardo den Dolch unter seinem Arm und wandte sich nach links, wo er etwa zwanzig Schritte normal weiterlief, bis er den nächsten Bogengang erreicht hatte. Dort versteckte er sich hinter einer Säule und wartete auf die beiden Mörder, die auch gleich darauf vorn an der Gasse auftauchten. Sie sahen sich kurz um, um festzustellen, wohin er verschwunden war, dann entschieden sie sich, nach rechts zu gehen und entfernten sich eilig.
    Gerardo beruhigte sich endlich, wenn auch nur für kurze Zeit: Schlagartig kam all die Angst, die er im Augenblick des Geschehens unterdrückt hatte, in ihm hoch, so dass seine Hände und Beine zitterten. Zum ersten Mal außerhalb der Stunden mit seinem Waffenlehrer hatte er einem echten Feind gegenübergestanden. Sein Leben war wirklich in Gefahr gewesen, und dieses Wissen ließ ihn nun nicht mehr los. Nur ein Umstand milderte seine Angst: dass seine militärische Ausbildung ihn gerettet hatte. All die Stunden, in denen er gelernt hatte zu kämpfen, ohne sich von Gefühlen und Gedanken hemmen zu lassen, hatten sich als nützlich erwiesen. Er ging im Kopf noch einmal den kurzen Kampf auf der Gasse durch und musste dann grinsen. Diese beiden Galgenstricke hätte sein Waffenlehrer ganz sicher nicht als »Feinde des Glaubens« bezeichnet, aber wenn es die eigene Haut zu retten galt, verloren diese theoretischen Definitionen ihre Bedeutung.
    Gerardo sah sich den Dolch genauer an, den er seinem Angreifer entrissen hatte. Ein Holzgriff und eine billige, aber widerstandsfähige und scharf geschliffene Eisenklinge. Gerardo
verbarg die Waffe unter seinem Gewand und steckte sie in den Stoffgürtel, der seine Beinlinge hielt. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem gemieteten Zimmer.
    Er hatte den kleinen Jungen nicht retten können, und der Schmerz darüber lastete wie ein Klumpen auf seiner Brust. Doch zumindest besaß er jetzt eine Waffe.
     
    Gegen eine Hauswand gelehnt, von der aus er die gesamte Kirche San Giovanni in Monte im Blick hatte, sah sich Wilhelm von Trier ruhelos um. In dieser Nachbildung der heiligen Stätten in Bologna sollte die Kirche den Ölberg darstellen, den Ort, zu dessen Füßen Jesus Christus sich vor seinem Leidensweg in den Garten von Gethsemane zurückgezogen hatte. Der alte Tempelritter fragte sich, warum der anonyme »Freund«, der ihm den Brief geschrieben hatte, gerade diesen Ort als Treffpunkt ausgesucht hatte. Er war zu genau in

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