Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
für Rhythmus hatte und häufig aus dem Takt kam, störte ihn dabei wenig.
Er glaubte fest daran, dass es ein Gewinn für die Menschheit war, wenn ein neuer Doktor in die Welt der Medizin, der Jurisprudenz oder der freien Künste eintrat. Deshalb war es nur recht und billig, diesen Anlass zu feiern. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass dieses Bankett von einem wohlhabenden Studenten aus Syrakus ausgerichtet wurde, der keine Kosten gescheut hatte. Die Dozenten der medizinischen Fakultät sprachen schon seit Wochen von nichts anderem.
Dennoch, als er über die Florentiner Terrakottafliesen durch den großen Saal mit dem Kreuzgewölbe lief, in dem man drei lange, mit blendend weißen Tischtüchern bedeckte Tafeln hufeisenförmig aufgestellt hatte, verspürte Mondino beim Anblick der Diener, die Schüsseln, Bretter und Löffel verteilten, nicht das leiseste Ziehen im Magen. Er hatte noch immer keine
Nachricht von Gerardo, und die Freude an dem Fest wurde ihm von der Vorstellung verdorben, dass dies sein letztes Bankett sein würde, wenn der junge Mann verhaftet worden war.
»Magister, welche Freude, Euch an meiner bescheidenen Tafel begrüßen zu dürfen«, empfing ihn der frischgebackene Doktor und kam ihm entgegen. Er war ein Riese, groß und breit, Mitte dreißig, mit hängenden Wangen. Mondino war davon überzeugt, dass er in seiner fernen Heimat Syrakus ein guter Arzt sein würde.
»Wie könnte ich den Doktorschmaus eines meiner besten Schüler versäumen«, antwortete Mondino freundlich. »Ganz abgesehen davon, dass viele meiner Kollegen schon beim Gedanken an dieses Fest die Fastenregeln gebrochen haben.«
Der Student erwiderte lachend, Mondino wäre zu gütig und er hoffe, die Erwartungen der Gäste nicht zu enttäuschen. Dann geleitete er ihn zu seinem Platz und entfernte sich wieder, um die letzten Vorbereitungen zu überwachen.
Mondino bemerkte zufrieden, dass man ihn an die Haupttafel gesetzt hatte, nah an den Platz, an dem man die Braten aufschneiden würde, eine deutliche Respektsbekundung. Dort saßen die Rektoren der Universitäten für die einheimischen und die fremden Studenten und die beiden Generalpedelle. Mondino ging zu ihnen und begrüßte sie, bevor er sich auf den ihm angewiesenen Platz neben Liuzzo setzte. Die schwarzen oder braunen Gewänder der Notabeln des Studiums hoben sich gegen die roten Talare der Ärzte ab. Die anderen Gäste hatten bei der Wahl der Kleidung Fantasie bewiesen - der Saal war eine einzige Farbenpracht. Niemand war barhäuptig erschienen; selbst in den Kopfbedeckungen entdeckte man eine gewisse Vielfalt, obwohl alle leichte Stoffe gewählt hatten, da sich langsam die warme Jahreszeit näherte und der Wein und das Tanzen einen schon genug ins Schwitzen bringen würden.
»Onkel, ich wollte euch abholen, wie wir es vereinbart hatten,
aber Ihr wart schon aufgebrochen«, sagte Mondino, sobald er sich gesetzt hatte.
»Ich musste aufgrund einer seltsamen Angelegenheit aus dem Haus«, erwiderte Liuzzo. Er schien nicht so verärgert wie am gestrigen Tag. »Ein Mord in einem Gasthaus in der Nähe der Basilika Santo Stefano.«
»Man hat Euch wegen eines Ermordeten bemüht?«
Der Onkel sah ihn an, als wüsste er nicht, ob er darüber reden sollte. Dann seufzte er und meinte: »Es war nun einmal so, dass der Getötete, ein Deutscher, der erst kürzlich in die Stadt gekommen ist, eine schreckliche Besonderheit aufwies. Die Frau, die die Leiche entdeckt hat, ist schreiend aus dem Wirtshaus geflohen. Einige Passanten haben sie aufgehalten und nachgesehen. Dann hat jemand den Richter benachrichtigt. Aufgrund ihrer wirren Erzählungen von einem Brustkorb, der aussah, als hätte ihn ein Anatom geöffnet und von einem Herzen, das in einen Eisenblock verwandelt worden war, hat der Richter gemeint, er sollte besser einen Arzt mitnehmen, und hat mich holen lassen, bevor er dieses Haus betrat. Aber was ist mit dir, Neffe?«
Mondino bot seine gesamte Geistesgegenwart auf, um ein gezwungenes Lächeln aufzusetzen. »Nichts, Onkel. Nur dass solche Erzählungen nicht gerade appetitanregend wirken. Aber, das, was Ihr erzählt, klingt wirklich interessant. Fahrt also ruhig fort.«
»Ich weiß nicht, Mondino. Du bist ganz blass geworden. Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Ja, ja, mir geht es ausgezeichnet. Ihr sagtet, das Herz sei in einen Eisenblock verwandelt worden? Das erscheint mir völlig unglaublich.«
»Mir ebenfalls«, gab Liuzzo zu. »Auf jeden Fall haben wir es nicht
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