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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Vor­wort
     
    »Gän­se­haut (Cu­tis an­se­ri­na), meist re­flek­to­risch durch Käl­te­reiz oder durch psy­chi­sche Fak­to­ren be­wirk­te Haut­ver­än­de­rung. Das knö­che­ri­ge Aus­se­hen der Haut wird durch Zu­sam­men­zie­hung der an den Haar­bäl­gen an­set­zen­den glat­ten Mus­keln (Mus­cu­li ar­rec­to­res pi­lo­rum) ver­ur­sacht, die die Haar­bäl­ge her­vor­tre­ten las­sen und die Haa­re auf­rich­ten.« Wer in »Meyers En­zy­klo­pä­di­schem Le­xi­kon« un­ter dem Stich­wort Gän­se­haut nach­liest, er­fährt per de­fi­ni­tio­nem und in le­xi­ka­li­scher Ge­drängt­heit, was sich un­ter phy­sio­lo­gi­schem Aspekt über das Phä­no­men Gän­se­haut sa­gen läßt. Über die »psy­chi­schen Fak­to­ren«, von de­nen im­mer­hin die Re­de ist, schweigt sich der »Mey­er« aus.
    Auch die Ety­mo­lo­gen spei­sen den Rat­su­chen­den le­dig­lich mit ei­nem sprö­den Hin­weis ab, näm­lich da­mit, daß seit dem 16. Jahr­hun­dert »vor Schreck oder Käl­te schau­dern­de mensch­li­che Haut« nach der Ähn­lich­keit mit der Haut ei­ner ge­rupf­ten Gans »Gän­se­haut« ge­nannt wer­de. Der Schreck ist al­so da­für ver­ant­wort­lich, wenn sich die Haa­re sträu­ben, kal­te Schau­er über den Rücken ja­gen und un­ser zar­ter Teint an die Haut ei­ner ge­rupf­ten Gans er­in­nert. An­de­re psy­chi­sche Fak­to­ren ru­fen die glei­che Wir­kung her­vor: Angst, Furcht, Grau­en, das Un­faß­li­che und Un­er­klär­ba­re, Ge­spens­ti­sche und Ma­ka­b­re, al­les, was in un­se­rer See­le trau­ma­tisch wei­ter­lebt und von dem seit Ur­zei­ten ei­ne selt­sa­me Fas­zi­na­ti­on aus­geht. Nach wie vor ist das In­ter­es­se am Un­heim­li­chen und Phan­tas­ti­schen le­ben­dig, auch und ge­ra­de in der Kunst, in der Li­te­ra­tur. Die­ses Un­heim­li­che und Phan­tas­ti­sche, wie es uns in den aus­ge­wähl­ten Ge­schich­ten be­geg­net, be­darf kei­ner Le­gi­ti­ma­ti­on von au­ßen, es ent­steht in den Tie­fen des In­ne­ren, des Un­be­wuß­ten, es ist an kei­ne Gren­zen ge­bun­den, dar­in dem Traum ver­wandt, der ei­ge­nen Ge­set­zen ge­horcht, ein zweck­frei­es Spiel in ima­gi­nären Be­rei­chen, das uns mit lust­vol­len Schau­ern er­götzt und je­ne Gru­sel­ef­fek­te sti­mu­liert, die un­se­re Haut­be­schaf­fen­heit auf so fa­ta­le Wei­se ver­än­dern.
    Freud schrieb, das Un­heim­li­che sei et­was dem See­len­le­ben von al­ters her Ver­trau­tes, das dem Men­schen nur durch den Pro­zeß der Ver­drän­gung ent­frem­det wor­den ist. Nun, in un­se­ren Ge­schich­ten ist die­ser Ver­drän­gungs­pro­zeß auf­ge­ho­ben: Aus den dunklen Schäch­ten des Un­be­wuß­ten tre­ten die schmäh­lich ver­dräng­ten Le­mu­ren und Schi­mä­ren in das hel­le Licht li­te­ra­ri­scher Ge­stal­tung, phan­tas­ti­sche, ja­nus­ge­sich­ti­ge We­sen, die in amor­phen For­men aus den Alp­träu­men ih­rer Schöp­fer her­vor­ge­wach­sen sind. Denn das Un­heim­li­che mit all sei­nen ir­rea­len Be­gleiter­schei­nun­gen bil­det das tra­gen­de Fun­da­ment die­ser Ge­schich­ten. Es lau­ert in den Schat­ten ein­sa­mer Näch­te, im flüs­tern­den Schwei­gen lee­rer Häu­ser, in den ver­bor­ge­nen Ecken fins­te­rer Or­te, im Mo­der­ge­ruch al­ter Grab­stät­ten. Und es lebt im ban­gen Schlag un­se­res Her­zens, in den ver­schüt­te­ten Ab­grün­den un­se­rer Psy­che.
    In ei­ner Welt oh­ne Wun­der ge­winnt das Wun­der­ba­re wie­der sei­ne ur­sprüng­li­che Macht zu­rück; wo sich schein­bar al­les ra­tio­nal er­klä­ren läßt, tritt das Un­klär­ba­re, Ir­ra­tio­na­le wie­der in sein Recht, be­droh­lich und er­schre­ckend, aber auch be­frei­end und über die pla­ne Rea­li­tät tri­um­phie­rend. Für die phan­tas­ti­sche Li­te­ra­tur gilt, was Wie­land Schmied über die phan­tas­ti­sche Kunst im all­ge­mei­nen ge­sagt hat: »Das Phan­tas­ti­sche kann traum­haft oder er­rech­net er­schei­nen, vi­sio­när oder sur­re­al, als Nä­he frem­der Wel­ten oder als Fremd­sein des Nächs­ten, bei al­ler Traum­haf­tig­keit, Ir­rea­li­tät oder Ver­frem­dung muß es er­leb­bar blei­ben, um uns zu be­tref­fen und uns er­schre­cken

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