Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
dieses Mannes in Santo Stefano gehört«, sagte er.
»Wer hat das nicht? Die Nachricht hat in der gesamten Stadt die Runde gemacht. Aber ich halte das für völligen Unsinn.«
»Weshalb denn?«
»Weil ich ein Alchimist bin, Messere, und daher sehr genau weiß, dass man das Herz eines menschlichen Wesens nicht in ein Stück Eisen verwandeln kann.«
»Seid Ihr Euch da absolut sicher?«
Der Mann richtete sich auf, und es gelang ihm sogar, ihn mit fast klarem Blick anzusehen, ehe er antwortete. »Absolut. Aber Ihr habt mir immer noch nicht den Grund Eures Besuchs genannt.«
Der Mann wusste nichts. Nun war es nicht mehr notwendig, etwas preiszugeben. Mondino sah sich auf der Suche nach einer Ausrede um, dabei fiel sein Blick wieder auf die alquitara . »Ich würde gerne einen Destillierapparat wie diesen hier kaufen«, sagte er. »An wen kann ich mich deswegen wenden?«
»Vielleicht an dieselbe Person, von der ich ihn erworben habe. Aber ich muss Euch warnen, das ist eine seltsame Frau.«
»Die Kräuterhexe?« Mondino hatte noch nie eine persönlich getroffen, aber er konnte sich sehr gut vorstellen, dass gewiss alle Kräuterhexen merkwürdige Frauen waren.
»Hmm. Aber seid Ihr wirklich deswegen gekommen?«
Mondino nickte nur, ohne weiter ins Detail zu gehen. Ihm war gerade etwas eingefallen. »Diese Frau spricht Arabisch, nicht wahr?«, fragte er nach.
»Mit mir hat sie in Volgare geredet«, sagte der Mann achselzuckend. Er ging zum Kamin und rührte mit einem langen Löffel die Suppe um.
»Aber Arabisch spricht sie auch.«
»Ich denke schon«, antwortete der Alchimist verkniffen. »Sie ist Araberin.«
»Und sie kann lesen, schließlich habt Ihr ihr ein Buch gegeben«, sagte Mondino mehr zu sich selbst. Dann etwas lauter: »Wisst Ihr, wo sie wohnt?«
Der Mann konnte sich nicht konzentrieren und ließ seinen Blick ständig zwischen dem Kessel und dem Destillierapparat
hin- und herwandern. »Sie wohnt an der Bova«, sagte er. »Ich weiß nicht genau wo, aber dort in der Gegend müsste man sie kennen. Sie heißt Adia Bintaba. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt …«
Mondino verließ das Haus und machte sich mit einem Lächeln auf den Lippen auf den Weg zur Medizinschule. Er würde diese Frau bitten, ihm die arabischen Sätze auf der Karte zu übersetzen. Und er war überzeugt, dass sie wertvolle Informationen enthielten.
Gerardo kam gegen Ende der Vorlesung. Er näherte sich von außen einem Fenster, schlug das Tuch zur Seite, das die nützliche Aufgabe erfüllte, Luft ins Zimmer hereinzulassen und gleichzeitig den Studenten den Blick nach draußen zu verwehren, damit sie nicht vom Geschehen auf der Straße abgelenkt würden, und winkte Mondino einen Gruß zu, unbemerkt von den Studenten, die über Abschriften aus Avicennas Kanon der Medizin gebeugt saßen.
Mondino starrte ihn einen Augenblick mit einer Mischung aus Überraschung, Wut und Erleichterung an, dann dozierte er weiter. Er hatte die lectio schon beendet, jetzt war die Zeit der quaestiones gekommen, der Fragestunde. Gerardo ließ das Tuch wieder sinken und wartete. Obwohl er nie wirklich studiert hatte, fehlte ihm die Universitätswelt auf einmal. Seine ersten Vorlesungen lagen schon Jahre zurück, aber er erinnerte sich noch ganz genau daran, wie ihm Mondino mit der gleichförmigen Stimme eines Mannes, der das, was er gerade erklärt, schon viele Male wiederholt hat, erläuterte, wie man Fragen nach den aristotelischen Ursachen stellt, dem Schema, dem schon sein Lehrer, Taddeo Alderotti, gefolgt war: »Ihr müsst zuerst an die Stoffursache, beziehungsweise den Stoff der Untersuchung denken, dann an die Formursache oder die Form, in der sich der Gegenstand zeigt, danach an die Wirkursache,
oder den Urheber des Werkes, und schließlich an die Zweckursache, also das Ziel oder der Zweck des gewählten Themas. Hierauf werde ich eine Reihe von dubita formulieren, auf die dann die disputatio folgt und schließlich die solutio .«
Die Erinnerung an diese bestimmt nicht glücklichen, aber im Vergleich zur Gegenwart gewiss nicht so schwierigen Tage half Gerardo dabei, sich die Zeit zu vertreiben, und plötzlich ging die Vorlesung zu Ende.
Mondino kam als Letzter heraus, eine ganze Weile nach den Studenten, als der Pedell bereits begonnen hatte, den Hörsaal aufzuräumen, und schlug, ohne sich umzusehen, den Weg Richtung Piazza Maggiore ein. Gerardo ließ ihn etwa ein Dutzend Schritte vorausgehen, ehe er sich zu ihm gesellte. Er wollte ihn
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