Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
zuvor wünschte er sich brennend, das Geheimnis zu erfahren, mit dem man Blut in Metall verwandeln konnte; aber jetzt war es am vordringlichsten, den Mörder zu entdecken, bevor die Kirche ihn fand. Dieser Mann - falls es sich wirklich um einen einzelnen Täter handelte - stellte eine ernstzunehmende Gefahr dar, und es gab nur einen sicheren Weg, ihn am Reden zu hindern …
Mondino fand den Gedanken allerdings unerträglich, kaltblütig einen Mann zu töten, selbst wenn es sich dabei um einen Mörder handelte, der bereits zwei Menschen auf eine gelinde gesagt schreckliche Weise umgebracht hatte.
Er grüßte die Wache mit einem Nicken, ging mit schnellen Schritten durch die Haustür und prallte unter den Arkaden so heftig gegen einen Obstverkäufer, dass der beinahe hinfiel. Dennoch entschuldigte sich der Mann bei ihm, eingeschüchtert durch den roten Talar und den mit Eichhörnchenfell besetzten Umhang, den Mondino für das Bankett angezogen hatte.
Während er sich mit hastigen Schritten in der Menge verlor, die den Platz füllte, ermahnte sich Mondino, nicht daran zu denken, was sie tun würden, wenn sie den Mörder erst einmal hatten. Zuerst musste er gefunden werden. Dann würde er gemeinsam mit Gerardo eine Entscheidung fällen.
In seinem Leben hatte es noch nie so viele Dinge auf einmal gegeben, über die er besser nicht nachdachte.
FÜNF
M ondino war früh aus dem Haus gegangen. An diesem Tag hätte er eigentlich Vorlesung halten müssen, aber er wollte vorher noch mit einem anderen Alchimisten sprechen. Es gelang ihm, sich nicht von den fliegenden Händlern aufhalten zu lassen, die die Straßen verstopften und Waren aller Art feilboten. Stattdessen lief er zielstrebig unter dem Bogengang die gesamte Via San Donato hindurch, bis er schließlich zu dem frei stehenden Haus kam, das sich an die Pfähle der Circla anschloss, wo der gesuchte Mann angeblich lebte. Mondino fand ihn im Hof, wo er die Hühner mit den Schalen von Saubohnen fütterte. Er war eine beeindruckende Erscheinung mit dichtem schwarzem Haar und großen kastanienbraunen Augen. Man hatte Mondino gesagt, dass er sich gern dem Alkohol ergab. Um dieses Problem zu umgehen, war der Arzt so zeitig am Morgen zu ihm gegangen - aber offensichtlich war er trotzdem zu spät gekommen. Die Augen des Alchimisten wirkten getrübt, und er musste sich bemühen, ihm sein Anliegen verständlich zu machen. Als der Alchimist endlich nickte und Mondino in sein Laboratorium führte, hingen dort trotz des geöffneten Fensters dichte Schwaden von frisch destilliertem Alkohol in der Luft. Auch die Hühner schienen unter der Wirkung zu leiden, denn sie scharrten mit reichlich unsicheren Krallen in einem furchtbaren Durcheinander aus Zangen, Hämmern und verschiedenerlei Werkzeugen. Oben im Kamin hing an einem Haken ein Topf, in dem Bohneneintopf brodelte. Auf einer Steinplatte brannte ein kleines Kohlefeuer,
und darüber erhob sich ein merkwürdig geformter Destillierapparat. Mondino hatte so etwas noch nie gesehen. Die verschiedenen Teile, also der genietete Kupferkessel, das Steigrohr und das Kühlgefäß, waren hier übereinander und nicht wie sonst nebeneinander angeordnet. Der Gegenstand wirkte gedrungener als die normalen Destillierapparate mit Schlangenkühler, sah aber äußerst funktionell aus.
»Er heißt alquitara «, sagte der Alchimist, als er Mondinos Interesse bemerkte. »Weil der Kühler direkt über dem Steigrohr sitzt, kann der Dampf sofort kondensieren und in das Sammelgefäß tropfen.«
»Dem Namen nach scheint es eine arabische Erfindung zu sein«, meinte Mondino. »Ich habe schon Destillierapparate aus diesen Ländern gesehen, aber noch keinen wie den hier.«
»Mir ging es ebenso, aber ich versichere Euch, dass er besser arbeitet als die herkömmlichen. Ich habe ihn von einer Kräuterhexe, einer konvertierten Araberin, die sich mit ihren Liebestränken und anderen magischen Gebräuen ihren Lebensunterhalt verdient. Sie hat ihn mir im Tausch gegen ein Buch überlassen. Doch sagt mir, was ist der Grund Eures Besuchs?«
Der Alchimist starrte ihn aus seinen großen, leicht getrübten Augen an und rülpste laut. Jetzt stand zweifelsfrei fest, dass er das aquae vitae , welches er in dem Destillierapparat brannte, nicht zu alchimistischen Zwecken nutzte. Mondino fiel ein, dass er nun wenigstens eindeutigere Fragen nach dem Tod des deutschen Tempelritters stellen konnte, ohne gleich Verdacht zu erregen.
»Ihr habt bestimmt schon von dem seltsamen Tod
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