Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
gerade begrüßen, als der Arzt sich ruckartig zu ihm umdrehte.
»Du hast dir ja Zeit gelassen«, sagte er, und man hörte ihm seine Wut an. »Ich habe inzwischen schon das Schlimmste befürchtet.«
»Ich bitte Euch, mir zu verzeihen, Meister. Gehen wir an einen Ort, wo es etwas ruhiger ist, dann erkläre ich Euch alles. Ich muss dringend mit Euch sprechen.«
»Auch ich muss mit dir reden«, erwiderte Mondino in einem Ton, als ob nichts ihm unangenehmer wäre. »Aber ich muss jetzt beim Schmied eine chirurgische Gabel abholen, die ich dringend benötige. Begleite mich, wir werden uns auf dem Weg dorthin unterhalten.«
»Wie Ihr wünscht, Magister«, antwortete Gerardo.
»Und lass diese alberne Ehrerbietung und nenn mich nicht Magister, zumindest wenn wir unter uns sind. Ich bin nie dein Lehrer gewesen, denn du bist nicht in meine Vorlesungen gekommen, um etwas zu lernen, sondern nur, um dich zu verstecken.«
»Magister«, sagte Gerardo ruhig, »Ich schulde Euch sehr
viel, weil Ihr mir geholfen habt, und allein aus diesem Grund verdient Ihr allen Respekt, den ich Euch entbieten kann. Außerdem sollten wir weiter vorgeben, Lehrer und Student zu sein, denn das ist der beste Weg, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, selbst wenn ich Eure Vorlesungen nicht mehr besuche.«
Mondino schwieg kurz, schließlich nickte er beinahe widerwillig. Gerardo folgte ihm, während er die Straße überquerte, wobei er darauf achtete, sich die Füße nicht mit Kot zu beschmutzen. Kurz darauf erreichten sie den Bogengang vor ihnen, der Meister ging voran, der Student dahinter hielt einen halben Schritt Abstand.
Mondino fragte ihn, was er in diesen Tagen getan hatte, und der junge Mann erzählte ihm von dem Zimmer, das er im Borgo del Rondone gemietet hatte und von seinem Besuch beim Bankier, aber nichts von dem Gefallen, um den er ihn bitten wollte, denn dies war nicht der passende Zeitpunkt. Stattdessen sprach er von Filomena und von Masino, von seinem Besuch im Haus der Frau und dem Grauen, das er empfunden hatte.
»So langsam glaube ich, dass Angelo da Piczano diesen schrecklichen Tod verdient hat«, meinte er abschließend. »Aber am meisten quält mich jetzt, dass ich nicht weiß, wie ich den Jungen retten könnte. Filomena hat es mit der Angst zu tun bekommen und ist an einen unbekannten Ort geflohen.«
»Und was ist mit dem Mönch, von dem du mir erzählt hast?«, fragte Mondino, während er vor Gerardo herlief, ohne sich umzudrehen. »Ich glaube, ich weiß, um wen es sich handelt. Wenn ich mich nicht irre, ist sein Vetter der Baumeister, der die Arbeiten an der neuen Basilika San Giacomo Maggiore in der Via San Donato leitet.«
»Pater Francesco.« Gerardo sprach den Namen verächtlich
aus. »Ich habe gestern versucht, ihn aufzusuchen, aber er lag in der Krankenstation des Klosters, und man hat mich nicht zu ihm gelassen.«
Als sie die Piazza Maggiore überquerten, kamen sie am Palazzo des Podestà vorbei. Rechts von ihnen standen einige Häuser, die man schon seit längerem abreißen wollte, um an ihrer statt eine große Basilika zu Ehren des heiligen Petronius zu errichten.
»Was hat er?«, fragte Mondino.
»Soweit ich verstanden habe, leidet er an einem Hodenbruch. Eine zu milde Strafe für seine Sünden. Auch deswegen wollte ich mit Euch sprechen.«
»Über seinen Bruch?« Mondino blieb stehen und drehte sich zu seinem ehemaligen Schüler um. Sein Blick war alles andere als wohlwollend.
Gerardo fasste sich ein Herz. »Nun ja«, antwortete er leise, damit die Passanten und die fliegenden Händler, die sich auf dem Platz drängten, ihn nicht hören konnten. »Meiner Meinung nach könnte die Untersuchung durch einen berühmten Arzt, wie Ihr es seid, ein guter Weg sein, ihn unter vier Augen zu sprechen und zum Reden zu bringen. Er könnte etwas Wichtiges über Angelo da Piczano wissen. Und vielleicht auch über Filomena.«
»Deiner Meinung nach!«, fuhr der Arzt auf. »Und wer bist du, dass du mir sagen willst, was ich tun soll?«
Gerardo schaute sich um und bemerkte, dass einige Leute sich nach ihnen umgedreht hatten.
»Wir erregen Aufmerksamkeit«, sagte er und schenkte den Neugierigen ein besänftigendes Lächeln. »Nun gut, wenn Ihr mir nicht helfen wollt, werde ich einen anderen Weg finden, um mit diesem verkommenen Mönch zu reden.«
Mondino setzte sich wieder in Bewegung, Gerardo folgte ihm, und nach ein paar Schritten achtete niemand mehr auf
sie. Auf der anderen Seite des Platzes bogen sie in die Via
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