Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Arbeit.”
Er verließ umgehend das Zimmer.
Gerardo drehte dem Bettler den Rücken zu, dem sie die Kleider geraubt hatten, und bewegte sich langsam zu der gegenüberliegenden Seite des unterirdischen Gewölbes. Hugues de Narbonne folgte ihm. Der Mann konnte ihn nicht erkannt haben, denn sie hatten ihn von hinten angegriffen, doch sie durften das Risiko, dass er sie entdeckte, nicht unterschätzen. Falls sie den Mann aus Ferrara nicht auf dieser Seite des Raumes fanden, wäre es besser für sie, den Raum zu verlassen, ohne noch einmal an dem Bettler vorüberzugehen, der halbnackt mit lauten Worten sein Schicksal beklagte, ohne die Silbermünze zu erwähnen, die Gerardo ihm als Entschädigung für Beutel und Gewand in die Hand gelegt hatte.
Die beiden bewegten sich langsam vorwärts und achteten darauf, nicht auf die Habseligkeiten zu treten, die überall auf dem Boden verstreut lagen. Allmählich füllte sich das Gewölbe immer weiter mit Männern und Frauen. Zum Glück schienen viele sich untereinander nicht zu kennen, so dass die Anwesenheit der beiden verkleideten Templer nicht auffiel. Gerardo fragte jeden, an dem er vorbeikam, wo er den Mann aus Ferrara finden könnte, doch ohne Erfolg. Einige kannten ihn nicht einmal, andere erzählten ihm, dass er in letzter Zeit immer hier unten geblieben war, aber wo er jetzt war, konnten sie ihm nicht sagen. Mittlerweile hatten Gerardo und Hugues schon den höchsten Punkt auf den Treppen erreicht, wo zwei Männer und eine Frau unreife Äpfel in einem Tontopf kochten. Als Gerardo sie nach dem Krüppel fragte, beäugte ihn die Frau misstrauisch. Sie war ungefähr zwanzig Jahre alt und hätte schön sein können, wäre sie nicht so überaus mager gewesen und hätten ihr nicht zwei Schneidezähne und ein Eckzahn gefehlt.
»Warum sucht ihr ihn?«, fragte sie.
Gerardo erzählte die Geschichte, die sie sich ausgedacht hatten: Sie seien von Ravenna vertrieben worden, gab er an,
und auf dem Weg hierher hätte ihnen ein anderer Bettler empfohlen, nach ihrer Ankunft in Bologna einen Krüppel aufzusuchen, der der Ferrareser genannt wurde. Er wäre ein guter Mensch und würde ihnen dabei helfen, sich in der Stadt zurechtzufinden.
»Der Ferrareser soll ein guter Mensch sein?«, lachte der ältere der beiden Männer, ein rundlicher Typ mit grauen Locken. »War der, der euch das gesagt hat, vielleicht blind und taub?«
Die anderen beiden lachten dreckig, und als die Frau sich etwas ungeschickt bewegte, entblößte sie ihre Beine weit oberhalb der Knie. Gerardo schaute zur Seite.
»Hier gibt es keine guten Menschen«, sagte der Ältere. »Nur Hurensöhne, die zu jeder Schandtat bereit sind, wenn sie dafür einen Tag länger leben können.«
»In Ravenna war es genauso«, erwiderte Gerardo und setzte sich neben sie, dabei versuchte er den Dialekt nachzuahmen, den die Dienerschaft bei ihm zu Hause gesprochen hatte. »Wie auch immer, ich möchte den Mann aus Ferrara finden.«
Die drei Bettler schwiegen plötzlich. Der Ältere rührte mit einem Holzstück die Äpfel in dem kleinen Tontopf um. Der Jüngere, ein Blondschopf mit einem langen Bart, der die ganze Zeit still gewesen war, zischte: »Niemand hat euch eingeladen, euch zu setzen. Ihr braucht gar nicht darauf zu zählen, dass ihr euch mit eurer Geschichte ein Abendessen ergattern könnt, verstanden?«
Die Frau schaute Gerardo auf eine Art an, dass er errötete, und sagte: »Wir haben nur diese Äpfel, und die sind für uns.«
»Unreife Äpfel«, knurrte der grauhaarige Bettler. »Wir müssen sie zu Brei verkochen, sonst bekommen wir davon heftige Bauchschmerzen.«
»Aber wenn ihr auch etwas habt«, meinte die Frau weiter, »bleibt ruhig. Der Ferrareser wird bald kommen.«
»Du Schlampe!«, rief der bärtige junge Mann. »Ich weiß genau, warum du willst, dass sie bleiben.«
»Lass mich in Ruhe«, antwortete sie böse. Von einem Moment auf den anderen hatte sie eine spitze Tonscherbe in der Hand. »Oder ich schneide ihn dir ab, du brauchst ihn sowieso nicht mehr.«
Der Alte lachte. Gerardo und Hugues fielen in sein Gelächter ein und hofften, die Situation dadurch etwas zu entschärfen. Der Blonde schaute sie misstrauisch an.
»Hast du nicht gesagt, dass dein Freund taubstumm ist?«
»Und?«
»Warum hat er dann gelacht, wenn er uns nicht hören kann?«
Gerardo seufzte. »Weil er nicht blind ist.«
»Was zum Teufel tut das jetzt zur Sache?«
»Er hat gesehen, dass wir alle gelacht haben, und da hat er eben
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