Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
zu, dass die Verwandlung eines Menschenherzens in einen Metallblock das Werk von Zauberei ist?«, fragte der Priester.
Diese Frage klang sehr präzise. Offensichtlich verfolgte er
ein Ziel, aber sosehr Mondino sich auch den Kopf zermarterte, er begriff nicht, was der Inquisitor beabsichtigte. Er hatte den unangenehmen Eindruck, dass er sich im Dunkeln am Rande eines Abgrundes vorwärtsbewegte.
»Das könnte sein.«
Auf Ubertos Gesicht erstrahlte ein echtes, beinahe freundliches Lächeln. Mondino spürte, dass er alles tun würde, um diesen wohlwollenden Ausdruck auf dem Gesicht des Inquisitors zu erhalten, und er hasste sich für seine Feigheit. Draußen hörte man eine Kurbelrolle quietschen. Obwohl es schon dunkel war, holte noch jemand Wasser vom Brunnen des Gartens.
»Gut, ich sehe, dass wir uns allmählich verstehen«, sagte Uberto. »Ich will Euch nicht länger im Ungewissen lassen, Magister: Die Totengräber haben Euch verraten.«
Mondino schwitzte; er hatte das Gefühl, dass ihm heiß und kalt zugleich war. All diese Worte zielten darauf ab, ihn einzuschüchtern, ihn zu Wachs in den Händen des Inquisitors zu machen. Doch er durfte sich noch nicht ergeben. Das ließ sein Stolz nicht zu.
»Ich habe gar nicht vor abzustreiten, dass ich diesen Leichnam für meine Anatomiestudien verwendet habe«, sagte er. »Aber …«
»Schweigt!«, unterbrach ihn Uberto heftig. Das gütige Lächeln war verschwunden. »Begreift Ihr denn nicht, dass Euch kein Ausweg bleibt? Im Quersack des Deutschen ist ein Brief gefunden worden, der ihn als Tempelritter identifizierte. Außerdem wurde er darin eines brutalen Mordes an einem armen Christenmenschen bezichtigt, den er zusammen mit einigen seiner Mitbrüder begangen haben soll. Der Absender forderte ihn auf, nach Bologna zu kommen, um sich eines dunklen Geheimnisses zu bemächtigen. Seid Ihr Euch eigentlich darüber im Klaren, wer diese Tempelritter wirklich sind, die Ihr zu verteidigen scheint?«
»Ich verteidige niemanden, Vater. Über die Templer weiß ich im Übrigen wenig oder gar nichts.«
»Umso besser, obwohl Eure Taten eine andere Sprache zu sprechen scheinen. Nun denn, ich gehe davon aus, dass Ihr nicht ernsthaft daran zweifelt, dass es für uns ein Einfaches wäre, einen Prozess gegen Euch anzustrengen, in dem Ihr als der Mörder des ersten Templers und wegen der Ähnlichkeit des modus operandi auch des zweiten erscheinen werdet, und dann ein Urteil gegen Euch zu erwirken, das für Euch den Tod und die Beschlagnahme sämtlicher Güter Eurer Familie bedeutet? Antwortet: Glaubt Ihr das oder nicht?«
Der Inquisitor hatte die Stimme erhoben, bis er schließlich die letzten Worte herausgeschrien hatte. In seinen Mundwinkel hatte sich ein wenig Schaum gebildet, den er jetzt mit dem Handrücken fortwischte, ohne den Blick von Mondino abzuwenden. Dieser senkte den Kopf, starrte die Terrakottafliesen des Fußbodens an und merkte, dass er überhaupt keine Lust hatte, jemals wieder aufzuschauen. Dennoch zwang er sich, dem Inquisitor wieder in die Augen zu sehen, ehe er die Niederlage eingestand.
»Das glaube ich, Vater.«
»Und Ihr tut gut daran. Ihr habt noch die Möglichkeit, Euch zu retten, vergeudet sie nicht. Wie ich Euch bereits sagte, ist die Kirche trotz der Beweise, die gegen Euch vorliegen, zumindest im Moment geneigt, an Eure Unschuld zu glauben, und Ihr werdet nicht angeklagt.«
»Ich danke Euch.«
Im Garten hörte man Stimmengemurmel. Der Inquisitor ging ans Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit. Die Stimmen verstummten unvermittelt, und Uberto wandte sich wieder ihm zu.
»Wir vertrauen darauf, dass Ihr Eure Dankbarkeit nicht nur in Worten ausdrückt, Magister«, sagte er. »Wenn das Kollegium
der Inquisitoren Euch bitten würde, in Eurer Funktion als Arzt und Lehrer des Studiums auszusagen, dass das Herz dieses deutschen Mönches durch Hexenwerk in Metall verwandelt wurde, würdet Ihr das tun? Antwortet nur mit Ja oder Nein.«
Endlich hatte er offen erklärt, was er wollte, so dass Mondino eine ungefähre Vorstellung davon bekam, wie die Verhandlungen weitergehen würden und was Uberto von ihm wollte: Die Kirche hatte die Möglichkeit erkannt, diesen mysteriösen Mord als Beweis im Prozess gegen die Templer zu benutzen. Mondino dafür zu verurteilen, war nicht von Vorteil, weil dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit von denen abgelenkt würde, die die Inquisition als die wahren Schuldigen hinstellen wollte, selbst wenn die beiden ermordeten
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