Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
eingestimmt.« Gerardo stand auf. Diese Unterhaltung wurde allmählich gefährlich. »Wir gehen schon.«
»Wolltet ihr nicht etwas über den Ferrareser erfahren?«, fragte die Frau.
Der Blonde warf ihr einen bösen Blick zu, dann starrte er Gerardo feindselig an, während er Anstalten machte aufzustehen. Hugues stellte sich kampfbereit hin. Der junge Bettler schaute zwischen ihnen beiden hin und her, dann ließ er sich wieder neben sein erbärmliches Feuer fallen.
»Wenn Ihr wisst, wo wir ihn finden können, Madonna«, sagte Gerardo, »sagt es uns bitte.«
»Ach was Madonna!«, lachte der Blonde bitter und packte die Frau am Arm. »Sie ist eine Dirne, sonst nichts.«
»Lass mich!«, schrie die Frau, sprang plötzlich auf und suchte hinter den Templern Schutz. »Wenn du mich anrührst, werden die beiden mich schon beschützen.« Dann wandte sie sich an Gerardo: »Also, hast du jetzt was zu essen oder nicht?«
Ihnen blieb keine Wahl. Gerardo wollte eigentlich nur noch fort, aber damit hätte er sich zu verdächtig gemacht. »Sicher«, sagte er und griff in den Beutel, den er um den Hals trug. Er beglückwünschte sich im Stillen dafür, dass er noch nachgesehen hatte, was darin war, ehe sie in das unterirdische Gewölbe hinabgestiegen waren. »Fünf Spatzen und ein Stück Brot. Das ist viel besser als eure Äpfel.«
Bei diesen Worten beruhigten sich die Männer sofort. Der Ältere mit den grauen Haaren sagte: »Spatzen in Apfelsoße, was für ein Schmaus. Setzt euch nur zu uns.«
»Erst will ich alles über den Ferrareser wissen«, beharrte Gerardo.
»Ach, du kannst es wohl nicht lassen«, sagte die Frau lächelnd. »Der Ferrareser war in letzter Zeit merkwürdig. Er war eine ganze Woche nur hier unten. Warum, hat er nicht gesagt. Vielleicht hat ihn jemand beim Klauen erwischt, und er hat sich vorsichtshalber versteckt. Gestern ist er wieder rausgegangen, und als er wiederkam, hat er geplappert wie ein Wasserfall. Er hat gesagt, dass er bald reich sein würde, dass ihm jemand einen Gefallen getan hat und dass es ihn einen Dreck kümmern würde, ob das die Heilige Jungfrau Maria oder der Teufel höchstpersönlich gewesen wäre. Heute ist er in aller Frühe losgezogen, aber er ist noch nicht zurückgekehrt. Normalerweise schläft er hier«, sagte sie und zeigte auf die Wand wenige Schritte von ihnen entfernt. Dann seufzte sie. »Das ist alles. Jetzt lass uns essen. Ich kann es nicht erwarten, endlich Fleisch zwischen meinen Lippen zu spüren.«
Gerardo entging nicht, dass dieser Satz doppeldeutig war, denn die Frau presste dabei eine Hand auf seinen Schenkel. Er wusste nicht mehr, wie er sich aus dieser schwierigen Situation befreien sollte, und Hugues als Taubstummer konnte ihm dabei auch nicht helfen.
»Fünf Spatzen und ein Stück Brot?«, sagte hinter ihnen jemand heiser und drohend.
Gerardo drehte sich um und stand auf einmal dem Bettler mit dem Lumpen um die Taille gegenüber.
»Ja und?«, meinte er herausfordernd und wunderte sich selbst über seine Schlagfertigkeit. »Für dich ist hier kein Platz. Wir sind fünf, und wenn du nicht sofort verschwindest, werden wir dir heimleuchten!«
Die anderen nickten bestätigend. Sie hätten auch jemanden umgebracht, um ihr Abendessen zu verteidigen, daran bestand kein Zweifel.
»Fünf Spatzen und ein Stück Brot«, wiederholte der Mann, der zu wütend war, um sich einschüchtern zu lassen, »das war genau in meinem Beutel. Den du mir gestohlen hast«, sagte er und zeigte darauf. »Und das Gewand, das du am Leib trägst, ist auch meins.« Er drehte sich zu seinen Freunden um. »Der da hat mich bestohlen!«, schrie er. »Helft mir, dass ich meine Sachen wiederbekomme!«
NEUN
A ls Mondino die Kirche San Domenico verließ, war es schon fast dunkel. Es hatte vor kurzem zur Vesper geläutet. Gedankenverloren machte er sich auf den Heimweg, aber als er das Schild einer Taverne sah, beschloss er, hineinzugehen und einen Becher Wein zu trinken. Es gab vieles, über das er nachdenken musste, und dazu hielt er sich lieber allein zwischen Fremden auf als nach Hause zu gehen, wo ihn all jene Probleme erwarteten, um die er sich inzwischen nicht gekümmert hatte.
Er setzte sich an einen Tisch, der so schwer war, dass nicht einmal zwei Männer ihn hätten umwerfen können, beobachtete das verstohlene Laufen der Mäuse im Stroh und trank dazu einen Weißwein aus den Colli Bolognesi.
In der Taverne wimmelte es von Studenten des Rechts und der Medizin aus verschiedenen
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