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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Nationes , deren Flüche und witzige Bemerkungen in ihrem mit fremden Sprachen durchsetzten Latein die Luft erfüllten. Mondino erkannte die kehligen Laute der Deutschen und der Dänen, die endsilbenbetonte Sprechweise der Franzosen, die markante Sprachmelodie der Spanier. Bologna war dank der Universität eine der lebendigsten Städte überhaupt. Die Vorstellung, die kommenden Jahre in einem dunklen Verlies verbringen zu müssen, ließ ihn jeden Blick, jedes Wort noch intensiver in sich aufnehmen. Mondino betrachtete aufmerksam jede noch so kleine Einzelheit. Vielleicht fiel ihm deshalb auch ein Mann in der Menge auf, der gleich ihm die allgemeine Hochstimmung
nicht zu teilen schien. Der Mann war untersetzt und muskulös. Sein breites Gesicht zeigte deutlich, wie sehr ihn dieses babylonische Sprachengewirr störte, und dennoch tat er nichts, um seinen Wein und die Schale mit Oliven möglichst schnell zu verzehren. Einige Male war es Mondino so vorgekommen, als hätte er in seine Richtung geschaut. Vielleicht fragte der Mann sich ja, was ein Arzt inmitten dieser Menge verloren hatte. Er trank noch einen Schluck Wein direkt aus dem Krug, da es in der Taverne keine Gläser gab, und wandte sich dann wieder seinen Gedanken zu.
    Diese drehten sich nur um zwei Überlegungen: Sollte er gegen die Templer aussagen? Und sollte er Gerardo verraten? Jemanden zu verraten, der ihm vertraute und dem er allmählich selbst zu vertrauen lernte, war undenkbar, dennoch konnte er unmöglich sich selbst und seine Familie opfern, um Gerardo zu retten. Was den anderen Punkt betraf: Seinetwegen konnten die Tempelritter ruhig alle auf dem Scheiterhaufen enden, dann würde es eben einen Orden weniger geben.
    Doch das eigentliche Problem blieb bestehen. Unter Eid etwas im Widerspruch zur Lehre zu erklären bedeutete, einen Meineid zu leisten. Wegen dieser Sünde konnte er aber in der Kirche die Absolution erbitten und Buße tun. Schlimmer war, dass seine italienischen und vor allem die französischen Kollegen den Respekt vor ihm verlieren würden. In der Medizinschule von Montpellier würde man lauthals über ihn lachen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ein gefährlicher Mörder straffrei ausgehen würde und weiter ungehindert Morde begehen könnte.
    Als er von der falschen Klarsichtigkeit des Weines beseelt das Für und Wider abwog, sah Mondino, dass die Waagschale sich nur nach einer Seite senkte. Und schließlich hatte er sich entschieden.
    Die beiden folgenden Tage würde er darauf verwenden, den
Mörder zu finden. Er war überzeugt, dass er der Lösung schon sehr nahe gekommen war, und wenn er ganz sicher herausfand, wer die beiden Tempelritter ermordet hatte, würden die Anklagen und Drohungen Ubertos von selbst in sich zusammenfallen.
    Sollte er sein Ziel nicht erreichen, würde er Gerardo genug Zeit geben, um aus Bologna zu fliehen und ihn dann anzeigen, wie es der Inquisitor von ihm verlangt hatte. Es tat ihm leid, aber seine Nächstenliebe reichte nicht so weit, dass er dafür die Folter auf sich nahm.
    Vielleicht würde es aber gar nicht dazu kommen müssen. Gegen seinen Willen hatte ihm Uberto da Rimini etwas Wichtiges verraten, indem er ihm den Inhalt des Briefes eröffnete, der sich unter den persönlichen Sachen Wilhelms von Trier gefunden hatte. So hatte sich Mondinos Überlegung bestätigt, dass jemand die beiden ermordeten Tempelritter in eine Falle gelockt hatte. Jetzt musste er nur noch herausfinden, wer den Köder ausgelegt hatte.
    Er musste zu der Kräuterhexe zurückkehren. Vielleicht war der Mörder ja ein Sarazene, da die Landkarte, die sich nun in seinem Besitz befand, arabisch beschriftet war. Und es gab nicht gerade viele Araber in Bologna. Vielleicht kannten sie einander. Wenn er sich geschickt anstellte, überlegte Mondino, würde ihm die Frau nicht nur das Geschriebene übersetzen, sondern ihn darüber hinaus noch auf eine wichtige Spur bringen.
    In diesem Moment kamen zwei deutsche Studenten auf ihn zu. Keiner von beiden gehörte zu seinen Schülern, sie hatten ihn jedoch erkannt und erklärten ihm, dass sie seine Arbeit und seinen Mut bewunderten, mit den anatomischen Studien den Widerspruch der Kirche herauszufordern.
    Mondino war nicht gerade in der besten Stimmung, um Lobeshymnen auf seinen eigenen Mut entgegenzunehmen, aber er zwang sich zu einem Lächeln: »Ich tue nichts anderes
als im menschlichen Körper die Dinge zu suchen, die es mir eines Tages erlauben werden, ihn wirklich zu kennen.«
    Um

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