Das Geheimnis der chinesischen Vase
solche zu 100 Mark und mehr — vom Tisch verschwanden, wenn ein
bestimmter Spieler kleinere Spielmarken auf davorliegende Felder setzte. Der
Kerl hatte sein Handgelenk präpariert (vorbereiten) — mit einem Stück
beidseitig klebenden Bandes. Damit hob er den großen Jeton vom Tisch, wenn er
den kleinen setzte. Anschließend ließ er den großen in der Manschette
verschwinden. In Hamburg arbeitete ein Ganove mit einer Zigarettenpackung, die
er innen mit Furnierholz ausgeschlagen und mit einer Feder versehen hatte. Aus
der Zigarettenschachtel verschoss er Jetons. 30 Zentimeter schnellten sie vor —
kaum wahrnehmbar fürs Auge. Und er war so geübt, dass er immer das Feld mit der
erwünschten Zahl traf — und zwar dann, wenn die Gewinnzahl bereits feststand
und der Croupier sie verkündet hatte. Denn darauf kommt’s an — bei Betrug:
Rasch noch den eigenen Jeton auf die schon feststehende Gewinnzahl platzieren.
Einer machte das mit seiner Krawatte, die mit Jetons gefüllt war wie ein
Automat. Durch Knopfdruck auf den Krawattenknoten fiel unten aus der Stoffröhre
ein Jeton heraus. Doch das konnte nicht verborgen bleiben, weil sich der
Bursche immer dann, wenn die Gewinnzahl verkündet wurde, weit über den Tisch
beugte. Denn seine Krawatte musste ja über dem richtigen Zahlenfeld baumeln.«
Gaby lauschte hingerissen.
Tarzan war amüsiert.
»Ihr wisst sicherlich«, fuhr
Karl fort, »dass es beim Roulette so genannte einfache Chancen gibt. Das Feld
ist ja zur Hälfte in rote, zur anderen Hälfte in schwarze Felder eingeteilt.
Wer also nicht auf Zahl setzen will, wählt als einfache Chance beispielsweise
eine Farbe. Viel lässt sich dabei nicht gewinnen. Aber bekanntlich macht
Kleinvieh auch Mist. Und der Trick, den ein schlauer Ganove anwandte, läuft so:
Er pirschte sich an der Kasino-Bar an Verlierer ran und erzählte ihnen, er
hätte einen Croupier bestochen. Der sorge dafür, dass abends — sagen wir:
zwischen 23 und 24 Uhr — eine bestimmte einfache Chance — sagen wir: Rot —
besonders oft kommt. Davon war kein Wort wahr. Für diesen Tipp verlangte der
Ganove eine 50-prozentige Beteiligung am Gewinn — ohne selbst eine Mark
einzusetzen. Er sicherte sich nämlich ab, indem er einem anderen Dummen —
wieder gegen Gewinnbeteiligung — die entgegengesetzte Chance einredete, also
Schwarz. Damit gewann der Mann immer, denn dass eine der beiden Farben öfter
kommen muss als die andere, ist ja klar. Mit einem seiner Partner gewann er
also unter allen Umständen. Ohne eigenen Einsatz. Und der andere, nun, der
hatte Pech gehabt. Schlau, was?«
»Interessant«, nickte Tarzan.
»Aber Schaudig scheint auf dem Gebiet kein Könner zu sein. Mit Kidnapping geht
er ein ungleich größeres Risiko ein. Allerdings — mit einer Million wäre auch
der Gewinn gewaltig gewesen.«
Draußen wurde es dämmerig.
Gaby sagte, sie müsse heim.
Dass Tarzan sie begleitete, war
selbstverständlich.
Währenddessen hockte Karl sich
ans Fenster, um Reginas Wohnung zu beobachten.
Die Frau war noch nicht nach
Flause gekommen, kein Licht hinter ihren Fenstern.
Tarzan und Gaby radelten durch
die Stadt. Es war schon recht kühl. Stürmischer Wind pfiff um die Ecken. Wolken
bedeckten den Himmel und die Luft roch nach Regen.
Vor Gabys Haus redeten sie noch
eine Weile. Tarzan musste sich anhören, er solle doch um Himmels willen
vorsichtig sein. Denn dieser Schaudig wäre sicherlich ein gefährlicher Ganove.
Lächelnd sagte er, er werde
bestimmt auf sich aufpassen. Dann trennten sie sich.
Als er in scharfem Tempo durch
die Lindenhof-Allee fuhr, fielen die ersten Regentropfen. Der Himmel war so
schwarz, als stünde eine Sintflut bevor.
Vor Nr. 33 stand Regina Hübners
pfeffergraues Auto. In der Wohnung brannte Licht.
Tarzan stellte sein Rad in die
Viersteinsche Garage und lief zu Karl hinauf.
»Sie ist eben gekommen«, sagte
Karl.
Er stand im dunklen Zimmer am
Fenster.
»Ich weiß. Du sagtest, sie
bringt ihren Wagen immer in die Garage. Aber jetzt steht er draußen.«
»Komisch. Hat sie noch nie
gemacht. Jedenfalls nicht abends — soweit mir das aufgefallen ist.«
»Es kann nur bedeuten: Sie will
nochmal weg.«
»Zu Schaudig?«
»Kann sein. Oder sie fährt raus
nach Bad Zockerhausen, um dem Spielteufel ein Opfer zu bringen. Wir werden es
erleben. Und nass dabei werden.«
»Ich habe zwei Pelerinen (Umhänge)«, meinte Karl. »Hauptsache, meine Mutter merkt nicht, dass wir bei dem Sauwetter
abhauen.«
Es wurde von Minute zu
Weitere Kostenlose Bücher