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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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einer solchen Waffe nicht abschätzen konnten. Unser frühester Blaustrumpf, die byzantinische Prinzessin und Schriftstellerin Anna Komnena, schreibt über diese Erfindung: >Es ist eine barbarische Waffe, den Hellenen vollkommen unbekannt) und >Mit der Klugheit seiner Konstruktion, seiner großen Reichweite, der Tödlichkeit seiner Wirkung ein wahrhaft teuflischer Apparat!<
    Die Erfinder dieser Proto-Flinte – wenn ich sie so nennen darf – erkannten, daß sie dafür den umständlichen langen Pfeil, der einen ganzen Köcher füllte, nun nicht mehr brauchten. Ja, diese neue Waffe verlangte nach etwas, das weit mehr einer Kugel ähnelte. Diese letzte Variante des Pfeils wurde meist Bolzen genannt, und solche Bolzen flogen so schnell, daß sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel kamen. Was ihre Form angeht, so sahen sie fast genau aus wie dies hier.« Mr. M. hielt das Papiermesser in die Höhe. »Dieses Ding, das wie ein Blitz aus heiterem Himmel sein Opfer in der Laube traf.
    Nun werden Sie verstehen, wie, als ich das Messer in Händen hielt, mein Verstand sich diesem Schlüssel öffnete, so daß ich nun den Weg vor mir sah, das zweite Schloß zu finden, zu dem am Ende ebenfalls dieser Schlüssel passen sollte! Und vergessen Sie nicht, daß jener Blitzschlag, der die Tür aufstieß, mir nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe von Aufschlüssen gab. Hier nur drei davon: Zunächst die Riefen, die dazu da waren, das Messer im Flug zu stabilisieren – ich sah nun, wie leicht und schnell man sie unmittelbar vor dem Schuß am Heft anbringen konnte; zum zweiten die Gewichtung im Vorderende, die es brauchte, um in gerader Linie zu fliegen; und schließlich die Kerbe am Hinterende und das Harz, das ich in dieser Kerbe gefunden hatte! Denn wozu verwendet man bis zum heutigen Tage Harz vor allen Dingen? Um Strängen, die unter sehr großer Spannung stehen, ihre Elastizität zu erhalten, so daß sie nicht brüchig werden und zerreißen. Sie wissen ja, daß die Saiten einer Violine mit Harz behandelt werden, und die Sehnen eines Bogens werden regelmäßig damit eingerieben. Es war also praktisch unmöglich für mich, nicht zu dem Schluß zu kommen, daß dieser Bolzen mit einer Armbrust geschossen worden war.
    Um nun die Bedingungen zu studieren und die Frage zu klären, ob die Reichweite einer solchen Waffe ausgereicht hätte, um die Entfernung zwischen den beiden Häusern zu überbrücken, duckte ich mich hinter die Brüstung des gegenüberliegenden Hauses, an der Ecke, die einen Blick hinunter auf diesen Flecken des Gartens ermöglicht. Da erkannte ich, was für eine perfekte Deckung und welch perfekte Auflage für die Waffe und nicht zuletzt welch perfekter Punkt zum Zielen sich da bot. Alles ergab sich wie von selbst. Es war etwas an dieser ganzen Sache, das mich auf eine unheimliche Weise an den alten Volksglauben von der Waffe erinnerte, die jeden, der sie anrührt, dazu bringt, den Racheakt auszuführen, zu dem ein längst begrabener Zauberer sie einst bestimmt hat.«
    Er schwieg einen Moment lang, und Milium schien ganz und gar nicht geneigt, dies zu kommentieren. Mir mit meinem praktischen Verstand hingegen, der eher darauf bedacht ist, die Dinge in das klare Licht der Fakten zu rücken als abstrusen mythischen Reminiszenzen nachzuhängen, fiel etwas auf.
    »Meister«, sagte ich, um ihn mit dieser scherzhaften Höflichkeitsformel aus der Reserve zu locken, »Ihr schildert es, als sei die Armbrust beinahe von selbst losgegangen – genau wie Jane, wäre es denkbar, daß sie ein Geschirrstück zerbräche, Zuflucht zu der unsterblichen Rechtfertigung ihres Standes nehmen würde: Wirklich, Sir, es ist einfach so auseinandergefallen.< Doch diese Armbrust, die wir niemals zu Gesicht bekommen werden und bei der wir uns, was ihre tatsächliche Beschaffenheit angeht, ganz auf Eure unvergleichliche Fähigkeit zur Rekonstruktion und Euer historisches Einfühlungsvermögen verlassen müssen, Meister – sollen wir denn wirklich glauben, daß eine solche Antiquität über Jahrhunderte hinweg auf so entsetzliche Weise funktionsfähig bleiben sollte? Sie mag sehr wohl die Stube eines Barons geschmückt haben, aber ich möchte bezweifeln, daß sie in den letzten Jahrhunderten auch nur eine Lehmkugel abgefeuert hat, um damit einem Erzbischof die Mitra vom Kopf zu schießen! Und ich glaube nicht, daß einer von… von uns« (ich fand, das war eine höfliche und rücksichtsvolle Art, Milium mit einzuschließen), »einer von uns so ein, man

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