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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wird. Nicht einmal Hedwig kann sich das gefahrlos erlauben – eine mittellose Waise von niederer Geburt schon gar nicht.
    Er packte Wiprecht grob am Arm. »Du wirst sie anständig behandeln, ist das klar? Denke nicht, ich hätte die Spuren in ihrem Gesicht nicht gesehen. Krümm ihr von heute an auch nur ein Haar, und du wirst dir wünschen, du wärst nie geboren!«
    Während Wiprecht ihm verwirrt und ängstlich nachstarrte, stürmte Christian auf die Stelle zu, an der Raimund lag. Stumm kniete er nieder, strich dem Fiebernden das schweißfeuchte Haar aus dem Gesicht und fragte sich, ob er binnen eines Tages die zwei Menschen verlieren sollte, die ihm unter allen Lebenden am meisten bedeuteten.
     
    Marthe hatte sich am Bach mit eiskaltem Wasser Gesicht und Arme abgespült und lief dann zu Christians Haus, vor dem der Ritter und sein Knappe neben einer am Boden liegenden Gestalt hockten.
    Sie trat heran und erschrak über Raimunds Aussehen. Der junge Ritter war kaum wiederzuerkennen. Sein Gesicht war eingefallen, er glühte vor Fieber.
    Noch ehe sie etwas fragen konnte, schlug Christian wortlos die Decke zurück und entblößte das angeschwollene Bein mit der Wunde, um die sich schwarze Ränder gebildet hatten. Sein verzweifelter Blick richtete sich auf Marthe, um auf ihrem Gesicht abzulesen, wie die Chancen für seinen Freund standen.
    Marthe hatte Not, die Fassung zu bewahren. Wie sehr wünschte sie sich jetzt Fine oder Josefa an ihrer Seite!
    Sie holte tief Luft, setzte zum Sprechen an und stockte.
    »Er soll hier draußen bleiben, solange noch Tageslicht herrscht«, sagte sie schließlich und ließ sich berichten, was geschehen war.
    »Wenn er es nicht will, werde ich sein Bein nicht abnehmen«, meinte sie dann nachdenklich.
    Der Ritter sah überrascht auf. »Hast du so etwas schon einmal getan?«
    »Noch nicht, Herr. Ich habe zweimal einen Finger amputiert und zugesehen, wie eine Hand abgenommen wurde«, antwortetesie. »Aber ich hätte es gewagt, wenn es die einzige Möglichkeit wäre, ihn zu retten. Ich weiß nicht, ob mir das so gelingt. Ich werde Hilfe brauchen.«
    »Was wir auch tun können, wir werden es tun«, sagte Christian sofort.
    Zögernd trat Grete näher. »Wollt ihr ihn nicht ins Haus bringen? Ihr habt drinnen auch Feuer, Herr. Vater Bartholomäus hat sogar die Herdstelle schon gesegnet.«
    Marthe antwortete: »Ich brauche so viel Licht wie möglich. Aber du kannst Wasser heiß machen.«
    Grete nickte und verschwand im Haus.
    Marthe fühlte die glühend heiße Stirn des Kranken und suchte nach dem Puls. Sein Herz raste. Dann beugte sie sich über die Wunde, roch daran und tastete vorsichtig die Stellen ab, an deren schorfigen Kanten Eiter austrat.
    Sie atmete wieder tief durch und sah zu Christian. Die Verzweiflung und Beklommenheit bei seinem Anblick drängte sie für den Moment beiseite. Jetzt brauchte sie alle Kraft für den Kranken.
    »Ich muss das Fieber senken, die Wunde ausschneiden und reinigen, vielleicht ausbrennen. Dabei muss ihn jemand halten.«
    Sie sah auf und fügte leise hinzu: »Und für alle Fälle … wenn er zu sich kommt … solltet Ihr Vater Bartholomäus holen.«
    Lukas stand auf. »Was brauchst du zuerst? Wasser oder den Pater?«
    »Wasser. Viel klares Wasser vom Bach.«
    Während Lukas nach einem ledernen Eimer suchte, bat sie Christian: »Nehmt seine Hand, Herr! Auch wenn er ohne Bewusstsein ist, haltet sie, sprecht mit ihm.« Sie zögerte. »Ich habe das Gefühl, seine Seele will sich davonstehlen. Ihr müsst sie hier festhalten.«
    Als die Dämmerung einsetzte, hielt Marthe erschöpft inne und streckte ihren schmerzenden Rücken.
    Sie hatte dem Kranken immer wieder nasse Tücher auf Stirn, Unterarme und das gesunde Bein gelegt, um das Fieber zu senken. Mit heißen Eisenkraut-Umschlägen hatte sie die eitrigen Geschwüre zum Aufbrechen gebracht, danach die Wunde gesäubert und seine Lippen wieder und wieder mit Wasser beträufelt.
    Währenddessen war Bartholomäus gekommen. Der Pater stellte die Utensilien für die Sterbesakramente ab und musterte das Bein sorgfältig.
    Marthe sah zu ihm auf. »Was hätten die heilkundigen Mönche in Eurem Kloster sonst noch getan?«, fragte sie und wischte sich eine schweißnasse Haarsträhne aus dem Gesicht, die unter dem Kopftuch hervorgerutscht war, das sie als verheiratete Frau zu tragen hatte.
    »Gebetet, natürlich.«
    Der Pater hockte sich neben sie und untersuchte den Kranken kurz.
    »Das Fieber muss gebrochen, die Wunde

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