Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
Freund von mir ist im Kampf verwundet worden und braucht Marthes Hilfe. Er und Lukas sind nicht weit von hier, ich hole sie gleich.«
    Christian wendete sein Pferd, doch in diesem Augenblick drang wieder ein Schrei aus der Behausung. Er hielt noch einmal kurz an und runzelte die Stirn. »Wie geht es Bertha? Wird sie es überstehen?«
    »Das weiß Gott allein. Marthe ist bei ihr. Die Frauen sagen, es ist bald so weit.«
    Als Christian mit Lukas und Raimund ins Dorf zurückkehrte, legten sie den Bewusstlosen behutsam vor das neue Haus, das die doppelte Größe einer Bauernkate hatte.
    Lukas ließ die Pferde vorerst in der Nähe grasen und blieb bei dem Todkranken. Christian ging zurück zu der gemeinsamen Unterkunft, vor der immer noch Guntram mit einigen Frauen wartete, und legte dem werdenden Vater die Hand auf die Schulter. »Wie steht es?«
    Guntram war grau im Gesicht und hob nur hilflos die Arme. Von drinnen war erneut ein herzzerreißender Schrei zu hören, dann ein leises Wimmern. Griseldis hastete hinein und kam wenig später freudestrahlend heraus. »Ein Junge!«
    Unter den Wartenden brach Jubel aus. »Gott sei es gedankt! Der Segen des Herrn ruht auf unserer neuen Heimat«, sagte jemand.
    »Und Bertha?«, fragte Guntram bang.
    Griseldis nickte ihm beruhigend zu. »Es geht ihr gut. Warte noch einen Augenblick, bald kannst du rein!«
    Guntram schlug die Hände vors Gesicht, um die Tränen der Erleichterung zu verbergen. Die Frauen gratulierten zur Geburt eines gesunden Sohnes, die herbeigeeilten Männer klopften dem frisch gebackenen Vater auf die Schulter.
    Wenig später kam Marthe heraus, ein winziges, krähendes, in Tücher gehülltes Bündel auf dem Arm. »Das erste Kind von Christiansdorf – gesund und munter. Ich dachte, ihr wollt es alle sehen«, rief sie noch in der Tür erschöpft und freudig zugleich.
    Dann entdeckte sie Christian. Einen Augenblick glaubte sie, ihr Herz müsse stehen bleiben. Doch sie fasste sich schnell und ging mit dem Neugeborenen auf ihn zu.
    »Werdet Ihr ihm Euren Segen geben, Herr?«
    Christian hatte Mühe, den Blick von den verblassten, aber noch deutlich erkennbaren Spuren von Schlägen auf ihrem Gesicht abzuwenden. Das würde er später klären.
    »Natürlich. Grete soll ein Fass Bier aufmachen.« Er gab Guntram eine Münze, die er in Magdeburg beim Würfelspiel gewonnen hatte. »Hier, als Taufgeschenk für deinen Sohn.«
    »Danke, Herr! Dürfen wir ihn nach Euch nennen? Immerhin ist er der Erste, der in Eurem Dorf geboren wurde.«
    Christian gab gern sein Einverständnis.
    Dann rief er Marthe zurück, die mit dem Neugeborenen wieder zu Bertha gehen wollte. »Kannst du Bertha schon allein lassen? Ich brauche dich dringend. Ich habe einen Todkranken mitgebracht.«
    Sie erschrak, und auf ihrem Gesicht las er die gleiche Frage, die auch Jonas gestellt hatte.
    »Es ist Raimund.«
    »Ich komme sofort, Herr. Um Bertha können sich nun die anderen Frauen kümmern.«
    Das Mädchen ging mit dem Neugeborenen wieder in die Hütte; Christian lief mit eiligen Schritten voraus, um nach Raimund zu sehen.
     
    Auf dem Weg sprach Wiprecht ihn an. »Auch ich bitte um Euren Segen, Herr.«
    »Den hast du. Warum fragst du?«
    »Er hat geheiratet«, rief Griseldis dazwischen.
    »Meinen Glückwunsch«, meinte Christian überrascht. »Wer ist die Glückliche?«
    »Marthe.«
    Christian blieb abrupt stehen und starrte ihn ungläubig an. Herr, bitte mach, dass es nicht wahr ist, war alles, was er denken konnte. Doch Wiprechts verlegene und zugleich stolze Miene sagte ihm, dass es kein Scherz war.
    Eiseskälte stieg in seinem Inneren hoch.
    Mit Mühe nur hielt er den Zorn zurück, der in ihm zu brodeln begann. »Hatte ich nicht entschieden, dass es mit der Hochzeit Zeit hat?«, rief er so schroff, dass Wiprecht sich krümmte. In solch einer Stimmung hatten die Dorfbewohner ihn noch nie erlebt.
    »Das habt Ihr, Herr. Aber dann hat sie es sich doch anders überlegt und konnte es schließlich gar nicht mehr erwarten«, gab Griseldis an Wiprechts Stelle Auskunft. »So ein junges Ding braucht einen Mann, der sie beaufsichtigt und ihr gebührliches Benehmen beibringt.«
    Ja, dachte Christian zornig. Darum ging es dir. Du hast keine Ruhe gegeben, bis sie endlich unter ständiger Kontrolle war. Sie ist dir unheimlich, dir und den anderen.
    Ich hätte es wissen müssen, warf er sich vor. Die Welt duldet keine junge Frau, die eigene Gedanken hat und sie auch noch äußert, statt zu schweigen, wie es verlangt

Weitere Kostenlose Bücher