Das Geheimnis der Hebamme
lauerte er ihr erneut an der Stelle im Wald auf, wo sie oft nach Beeren und seltenen Wurzeln suchte.
Sie hatte ihn erst gar nicht bemerkt, doch mit einem Mal fühlte sie sich beobachtet. Als sie sich umdrehte, sah sie ihn mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt stehen.
Betont langsam schlenderte er auf sie zu. »Na, du treuliebend Weib, wie gefällt dir das Eheleben?«, fragte er lässig.
»Das geht dich überhaupt nichts an. Lass mich in Ruhe, ich habe zu tun!«
»Immer noch spröde wie eine Jungfrau – und dabei bist du doch gar keine mehr!«
Mit schnellen Schritten war Martin bei ihr und griff nach ihrem Arm. »Stell dich nicht so an! Keiner wird es je erfahren. Ich zeige dir, wozu ein kräftiger junger Kerl taugt.«
Er riss sie an sich und versuchte sie zu küssen. Marthe trat ihm kräftig gegen das Knie, so dass sich sein Griff für einen Augenblick lockerte.
»Das wäre eine schreckliche Sünde«, schrie sie ihn an.
»Pah, Sünde. Ich beichte und muss drei Ave Maria aufsagen. Aber du wirst verdammt, denn die Weiber sind’s, von denen alle Schuld und alles Unheil ausgeht seit Eva. Und nun komm endlich …«
Doch bevor er Marthe wieder an sich ziehen konnte, reckte sie ihm ihr kleines Kräutermesser entgegen.
»Komm mir ja nicht näher!«
Martin lachte. »Und wenn doch? Was wirst du tun?« Er streckte den Arm aus, um ihr das Messer aus der Hand zu winden, während sie noch einen Schritt zurückwich.
Im nächsten Moment krachte etwas auf Martins Schädel.
»Dir werd ich’s zeigen, schamloser Lümmel!«
Grete stand da mit einem Knüppel in der Hand und überhäufte ihren Ältesten mit Beschimpfungen.
»Hab ich dich dafür großgezogen, dass du mir solche Schande bereitest?«, keifte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm eine Kopfnuss zu verpassen. »Lass dich noch einmal von mir erwischen, und ich jage dich aus dem Haus!«
Kleinlaut zog Martin den Kopf ein. »Ja, Mutter.«
»Entschuldige dich bei ihr.«
»Tut mir Leid …«
»Und nun ab mit dir, du Tagedieb, das Vieh muss versorgt werden. Da kannst du deine überzähligen Kräfte loswerden!« Während Martin mit gesenktem Kopf von dannen zog, hob Grete Marthes Korb auf. »Komm, Kleine, wir gehen zurück ins Dorf.«
Unglückliche Heimkehr
Christian atmete erleichtert auf, als sein Dorf in Sichtweite kam. Doch dann hörte er genau aus dieser Richtung den markerschütternden Schrei einer Frau.
Er warf Lukas die Zügel der beiden Pferde zu, zwischen denen die Trage mit dem bewusstlosen Raimund befestigt war, und rief ihm zu, hier mit dem Kranken zu warten. Dann stürmte er auf Drago los.
Den Dorfbewohnern stand vor Schreck der Mund offen, als sie ihren Herrn mit gezogenem Schwert ins Dorf galoppieren sahen.
Christian brauchte einen Moment, bis er die Trugbilder von allem möglichen Unheil, das sich hier ereignet haben könnte, abschütteln konnte. Im Dorf war es ruhig. Nur vor der gemeinsamen Unterkunft hatte sich eine kleine Gruppe versammelt, die nun niederkniete und ihn freudestrahlend begrüßte.
»Was war das für ein Schrei?«, fragte Christian immer noch beunruhigt.
»Das ist Bertha«, erklärte Hildebrand mit peinlich berührter Miene. »Das Kind kommt.«
Christian atmete tief durch. Die Sorgen der letzten Tage um Raimunds zunehmend schlechteren Zustand hatten seinen Vorrat an Zuversicht aufgezehrt.
Doch hier schien alles gut verlaufen zu sein. Er ließ die Blicke schweifen und sah zu seinem Erstaunen, dass die Dorfbewohner begonnen hatten, auf seinem Stück Land, das zwei Hufen in der Mitte des Ortes umfasste, das erste Haus zu bauen. Die Saat war aufgegangen, zwei Kälber staksten über die Weide, und auf dem Hügel waren lange Stämme für den Bau der Kirche gestapelt.
Jonas folgte seinem Blick; sein Lächeln wurde breiter.
»Wir dachten, wenn Ihr zurückkommt vom Feldzug, sollt Ihr es etwas bequemer haben«, meinte er. »Wir sind mit der Arbeit so gut vorangekommen, dass wir beschlossen haben, Euer Haus als Erstes zu bauen. Wir hoffen, es gefällt Euch.«
Christian war für einen Moment verblüfft und gerührt.
»Ich danke euch von Herzen!«
Er rieb sich über das müde Gesicht, das durch Bartstoppeln und tiefe Schatten unter den Augen erschreckend gealtert schien. »Und es kommt doppelt gelegen. Ich habe einen Schwerverletzten bei mir.«
Der Schmied erschrak. »Doch nicht etwa Euer Knappe? Ist dem jungen Herrn etwas zugestoßen?«
»Nein, ihm geht es gut. Ein Ritter aus Ottos Gefolge und guter
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