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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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»Marthe zurückbringen kann.«
    Wiprecht nickte eilfertig. »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    »Ich werde Grete bitten, dass sie deinen Haushalt mitbesorgt.«
    Die Ankündigung ließ ein bauernschlaues Grinsen über Wiprechts Gesichtszüge huschen.
    Dann wandte sich Christian an Marthe, die stumm geblieben war. »Packst du zusammen, was du brauchst? Ich möchte morgen zeitig aufbrechen.«
    Tausend Dinge schwirrten Marthe durch den Kopf. Die Erinnerung an den ersten Ritt nach Meißen, auf dem sie so glücklich gewesen war, an die verwirrende fremde Welt am Hof, an Hedwig und den Giftbecher, den nächtlichen Messerangriff. Und Randolf.
    Würde sich jetzt alles wiederholen?
    Der Ritter erkannte den Anflug von Angst auf ihrem Gesicht.
    Beruhigend legte er eine Hand auf ihre Schulter, auch wenner das Gefühl hatte, sie würde dort auf glühenden Kohlen liegen.
    »Sei unbesorgt. Der Giftanschlag ist aufgeklärt. Der Astrologe ist geflohen und wird sich nicht noch einmal in Ottos Nähe blicken lassen. Wir wissen jetzt auch, wer dich in der Nacht überfallen hat: die zwei Reisigen von Wulfhart, die immer noch nach dir suchten. Aber auch die sind weit weg. Es wird dir nichts geschehen.«
    Marthes Herz hämmerte. Gerade hatte sie angefangen, sich mit ihrem Los abzufinden. Nun sollte ein neuerlicher Strudel sie wegreißen und wieder an den Ort bringen, wo sie nur Ärger und Gefahr auf sich und Christian gezogen hatte. Andererseits: Sie könnte Josefa besuchen, denn sie war bereit, alles von der weisen Frau zu lernen, was diese an Geheimnissen wusste. Sie musste lernen, sich mit diesem Wissen zu wehren.
    Und sie würde Wiprecht für eine Zeit entkommen.
    Seit der Hochzeitsnacht hatte er sie nie wieder geschlagen, sondern sie mit einer Mischung aus Vorsicht und Misstrauen behandelt. Doch vor einiger Zeit hatte er einen Vogelbeerzweig gegen Hexenzauber unters Dach gehängt und pochte nachts wieder auf seine Rechte, obwohl er meistens Schwierigkeiten hatte, den Akt zu vollziehen. Wahrscheinlich trieben ihn die Sticheleien im Dorf an, dass die junge Ehefrau immer noch kein Kind trug.
    Marthe wusste als Hebamme und Kräuterkundige genug, um zu verhindern, dass sie schwanger wurde. Doch Wiprechts plumpe Besitznahme konnte sie immer noch kaum ertragen. Aber letztlich würde niemand sie fragen, ob sie nach Meißen wollte oder nicht. Das hatten bereits andere entschieden.
    Also atmete sie tief durch und sagte nur: »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    Während sie scheinbar ruhig ihren Medikamentenkorb füllte, überlegte sie, wie sie sich diesmal Ärger vom Leib halten konnte. Manchmal muss man sich unsichtbar machen, hatte Susanne gesagt. Das Tuch, das ihr Haar verbarg und sie unscheinbar machte, würde helfen.
    Was hatte sie sich damals nur gedacht, mit dem offenen Haar einer Jungfrau diese fremde, gefährliche Welt zu betreten? Das musste ja Blicke und Ärger auf sie ziehen.
    Sie würde das waidblaue Kleid tragen müssen, um Hedwig nicht zu verärgern, aber Emmas schmückenden Wollfaden vorher dunkel nachfärben, damit er nicht mehr auffiel. Bauersfrauen und Mägde trugen keine Stickereien.
    Und sie würde bei Dietrichs Behandlung so vorsichtig vorgehen, dass sich der Medicus diesmal nicht beleidigt fühlen konnte.
    Doch trotz aller guten Vorsätze quälte sie in dieser Nacht ein wiederkehrender Traum. Darin schritt sie durch eine Horde wilder Tiere, die sie kaum wahrzunehmen schienen. Aber sie wusste genau, wenn sie sich auch nur ein winziges bisschen ihrer Furcht anmerken ließe oder eine einzige unbedachte Bewegung machte, würde sich die blutrünstige Meute sofort auf sie stürzen und sie zerreißen.

Zurück auf dem Burgberg
     
    Fast ein Jahr nach ihrer ersten Reise zu Ottos Burg ritt Marthe nun wieder mit Christian und Lukas nach Meißen. Wieder schien die Sonne, doch sie selbst war voller unruhiger Gedankenund spürte, dass auch von Christian eine verborgene Anspannung ausging.
    Schon näherten sie sich dem Weiler, an dem der Ritter vor fast einem Jahr der Bauersfrau einen noch ofenwarmen Laib Brot abgekauft hatte.
    Doch als sie den Ort erreichten, erschrak sie. Er war zur Wüstung geworden. Kein Mensch, kein Hund oder Huhn war zu sehen, die Felder waren nicht bestellt.
    »Was ist geschehen, Herr?«, fragte sie Christian.
    »Sie haben ihr Dorf aufgegeben, als sie merkten, dass sie wieder nicht genug geerntet hatten, um über den Winter zu kommen. Im tiefsten Schnee sind sie losgezogen. Wer Meißen erreicht hat, versuchte, sich dort zu

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