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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wir uns einfach nehmen, was wir wollen, nur weil wir es dank unserer Stellung und unserer Waffen können – wer soll die Welt dann noch im Zaum halten? Wer soll uns im Zaum halten? Dann herrschen nur noch Willkür und Gewalt.«
    Er stand auf und trat das Feuer aus. »Lass uns zurückreiten, ehe es ganz dunkel ist. Morgen wird ein anstrengender Tag für dich.«
    Bevor sie aufsaßen, hielt Raimund seinen Freund zurück.
    »Sie ist todunglücklich. Als ich sie zum ersten Mal auf dem Burgberg sah, da hatte sie so ein Leuchten in den Augen … Davon ist nichts mehr zu erkennen.«
    »Ich weiß«, antwortete Christian. »Und es bricht mir das Herz, sie so zu sehen. Aber vor Gott und den Menschen ist sie jetzt auf alle Zeit die Frau eines anderen.«
    Bevor er anritt, drehte er sich noch einmal zu Raimund um.
    »Trotzdem – ich danke dir!«
     
    Zum Martinstag konnten endlich auch Marthe und Wiprecht mit den Mädchen und Karl eine eigene Kate beziehen. Schweren Herzens räumte Marthe ihr bisschen Habe aus der ersten Unterkunft, in der sie alle mehrere Monate gemeinsam gelebt hatten.
    Schlimmer denn je fühlte sie sich nun in ihrer Ehe gefangen.
    Sie magerte ab und ging die meiste Zeit umher wie ein Geist. Alle heimlichen Sehnsüchte hatte sie aus ihrem Denken verbannt und widmete sich vollständig der Arbeit. Lediglich die Zärtlichkeit, mit der Johanna und Marie an ihr hingen, bot ihr Trost.
    Karl gab sich alle Mühe, ihr das Leben zu erleichtern. Mit seinem Vater wechselte er kaum ein Wort.
    Einen Tag nach Martini, gerade noch rechtzeitig, bevor das Dorf ganz eingeschneit wurde und in Einsamkeit versank, brachen Christian und Lukas nach Meißen auf. Ein Bote hatte eine Nachricht des Markgrafen überbracht, mit der Otto und Hedwig den Ritter einluden, die Festtage auf dem Burgberg zu verbringen und den Winter über aus ihrem Sohn Dietrich und ihrem Neffen Konrad tüchtige Reiter zu machen.
    Regungslos und stumm sah Marthe den beiden nach, während ein kalter Wind durch ihre Kleider fuhr und winzige Schneeflocken auf sie herabwirbelten. Das Wetter machte ihr nichts aus. Die einzige Kälte, die sie spürte, kam von innen.
    Johanna trat neben sie und beobachtete sie still. Dann griff sie nach Marthes Hand und sagte entschlossen: »Komm ins Haus! Sonst wirst du noch krank und stirbst.«
    Teilnahmslos ließ Marthe geschehen, dass das Mädchen sie zum Schlafplatz führte. Marie häufte Decken über ihre Stiefmutter und streichelte mit ihren kleinen Händen ihr Gesicht, während Johanna ächzend die roh gezimmerte Bank durch die Kate zerrte, um draufzuklettern und an die Bündel getrockneter Kräuter zu gelangen, die von den Deckenbalken herabhingen. »Was war das gegen Husten? Thymian und Salbei? Ist es das hier?«
    Ohne es zu merken, ahmte das Mädchen Marthes Tonfall nach. »Ich mach dir einen Sud davon, und bald wirst du wieder gesund.«
    Marie und Johanna ahnten nicht, dass sie mit ihren schwachen Händen Marthes erlöschenden Lebenswillen noch einmal zum Glimmen brachten.
    Sie brauchen mich, sie lieben mich, dachte Marthe.
    Also würde sie weiterleben. Vorerst.

DRITTER TEIL

Entdeckungen

Mai 1168
     
    Marthe war so vertieft in ihre Arbeit im Gemüsegarten, dass sie Johanna erst bemerkte, als das Mädchen, atemlos vom Laufen, neben ihr stand. »Es kommt Besuch! Sieh nur«, sprudelte die sonst eher ruhige Johanna hervor und zeigte aufgeregt zum Wald, der den Ort Richtung Westen begrenzte.
    Marthe stand auf und schirmte mit einer Hand die Augen gegen das Sonnenlicht ab, um erkennen zu können, wer sich dem Dorf näherte.
    Die kleineren Kinder waren dem Fuhrwerk schon entgegengerannt und begleiteten es jubelnd.
    »Hans und Friedrich«, erriet sie und lächelte ihrer Ziehtochter zu. Die beiden Salzkärrner hatten das Dorf vor ein paar Wochen schon einmal besucht, um Marthes Können in Anspruch zu nehmen. Dabei hatten Marie und Johanna an den redseligen Brüdern geradezu einen Narren gefressen – und umgekehrt.
    Marthe wischte sich die Erde von den Händen und ging den Fuhrleuten entgegen.
    »Seid willkommen! Kommt ins Haus, da habe ich Bier und frisch gebackenes Brot für Euch.«
    Ächzend stiegen die beiden vom Wagen und baten Karl, abzuspannen und die Pferde zu versorgen.
    »Du bist ein wahrer Schatz, Mädchen«, strahlte Friedrich sie an. »Obwohl – inzwischen bist du ja eine ehrbare Ehefrau. Aber Gedanken erraten kannst du immer noch.«
    »Dass Ihr durstig und hungrig seid, dürfte nicht schwer zu erraten sein«,

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