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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verdingen oder lebt nun als Bettler.«
    Marthe schauderte. Auch in Christiansdorf war der Winter eine harte Zeit gewesen und die Rationen immer kärglich bemessen. Doch verhungert war niemand – dank dem, was Christian herbeigeschafft hatte und dank der Unerbittlichkeit, mit der Grete und Griseldis die Vorräte überwachten und einteilten. Sogar die Säuglinge hatten überlebt, der Sohn von Guntram und Bertha und das Töchterchen, von dem Marthe Emma am Lichtmesstag entbunden hatte.
    Jetzt war sie froh darüber, dass sie keine Rast in der Nähe des verlassenen Weilers einlegten. Die Gegend kam ihr auf einmal verwunschen vor.
    Sie hielten erst ein ganzes Stück später an. Lukas band die Pferde fest und packte den Proviant aus, den Grete ihnen mitgegeben hatte. Auch Marthe kramte in ihrem Beutel und stieß dabei auf etwas Überraschendes. Verwundert wickelte sie das kleine Päckchen aus, stutzte einen Moment und schniefte dann gerührt.
    Jetzt wusste sie, warum sich Johanna und Marie heimlich an ihrem Bündel zu schaffen gemacht hatten. Die Mädchen hatten ihr, während sie sich unbeobachtet glaubten, als Abschiedsgrußein paar von den Honigkügelchen zugesteckt, die Marthe als Nascherei für die Kinder machte.
    Diesmal erreichten sie Meißen nicht bei strahlendem Sonnenschein, sondern bei eiskaltem Nieselregen.
    Als sie am Richtplatz vorbeiritten, ließ ein grausiger Anblick Marthe zusammenzucken. Auf einem Dornenbett lagen zwei Leichname übereinander, durch die ein Pfahl getrieben worden war. Sie waren halb verwest, Vögel hatten die Augen ausgehackt. Doch die Überreste der Kleidung ließen noch erkennen, dass hier ein Mann und eine Frau in einer grausamen Verhöhnung auf den Liebesakt zu Tode gebracht worden waren. Die leeren Augenhöhlen der Frau waren auf Marthe gerichtet. Sie glaubte mit einem Mal, den Nachhall der Todesschreie und der johlenden Rufe der Zuschauer hören zu können.
    Christian war ihrem Blick gefolgt. »Eine Ehebrecherin und ihr Liebhaber«, sagte er.
    Ein eisiger Schauer lief Marthe den Rücken hinunter. Wer seine Ehefrau mit einem fremden Mann ertappte, durfte selbst über ihre Bestrafung bestimmen. Doch wie grausam musste ein Mann sein, um sich solch einen Tod auszudenken und mit ansehen zu können?
     
    Auf dem Burgberg herrschte diesmal deutlich weniger Geschäftigkeit als bei Marthes letztem Aufenthalt. Der Hof wirkte fast verlassen.
    Christians Miene verdüsterte sich. »Otto wird nicht da sein«, sagte er.
    Die Nachfrage beim Haushofmeister bestätigte seine Vermutung. »Der Markgraf ist zu Albrecht dem Bären gereist«, meinte der.
    »Ist seine Gemahlin mit ihm gezogen?«, erkundigte sich Christian höflich.
    »Nein. Ihr werdet sie in der Kemenate finden«, antwortete der Haushofmeister, der noch genauso hochmütig wirkte, wie ihn Marthe in Erinnerung hatte.
    Christian gab Lukas ein paar kurze Anweisungen und hieß Marthe, ihm zu folgen.
    Mit großen Schritten eilte er die Treppe hinauf, ließ sich bei Hedwig melden, trat ein und sank vor ihr auf ein Knie.
    Hedwig trug diesmal ein rotes Kleid mit dunkelblauem Besatz und zarten Stickereien an den weiten Ärmeln. Bei seinem Anblick wirkte sie erleichtert. Rasch ging sie auf ihn zu und bedeutete ihm, sich zu erheben.
    »Christian, Euch und Marthe schickt der Himmel! Dietrich ist krank, ich musste schon nach dem Medicus schicken. Würdest du nach ihm sehen?«, wandte sie sich an Marthe. »Christian, bitte bringt sie hin, ich komme gleich nach.«
     
    Was Marthe in Dietrichs Kammer zu sehen bekam, ließ sie umgehend alle guten Vorsätze vergessen.
    Der Medicus stand im Gelehrtengewand über den totenbleichen Jungen gebeugt, hinter dessen Ohren dicht an dicht Blutegel angesetzt waren. Der Arzt sah kaum hoch, als sie die Kammer betraten, sondern fuhr geschäftig fort, weitere Egel an Dietrichs Schläfen anzubringen.
    »Was tut Ihr da – Ihr bringt ihn um!«, schrie Marthe entsetzt. Der Medicus schnaubte verächtlich. »Weg mit dir, dummes Ding! Jeder gebildete Mann weiß, dass Blutegel das sicherste Mittel gegen Fallsucht sind, abgesehen vom Blut eines Gehenkten – und das wird heute noch geliefert.«
    Er winkte einen der Diener heran. »Schaff sie hinaus! Dieses Bauernbalg hat hier nichts zu suchen.«
    Marthe drehte sich verzweifelt zu Christian um. »Herr, das wird den Jungen töten!«
    Der überlegte nicht lange, sondern zog sein Schwert und trat auf den Medicus zu. »Ihr werdet sofort von dem Jungen ablassen und Euch aus diesem Raum

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