Das Geheimnis der Highlands
diesen Platz zu behalten.
Beinah haßte sie ihn dafür. Sie wußte, daß sie sich selbst dafür haßte. Er sollte mir gehören , dachte sie. Sie beobachtete ihn, wie er durch den großen Raum zu dem Fenster schritt,das sich zwischen zwei kannelierten Granitsäulen öffnete, die zwanzig Fuß über ihrem Kopf in einem hohen Bogen zusammentrafen. Esmeralda lächelte höhnisch hinter seinem Rücken. Wie dumm, solche großen, ungeschützten Öffnungen in einer Festung, oder arrogant. Aber warum sich den Kopf zerbrechen, wenn man in einem massiven Bett mit Gänsedaunen liegen und durch den rosafarben schimmernden Bogen einen samtenen Himmel, gespickt mit funkelnden Sternen, betrachten konnte?
Sie hatte bemerkt, daß er vorhin in diese Richtung geblickt hatte, während er sie genommen und mit dieser steinharten Männlichkeit, die nur er besaß, in ihrem Blut ein bodenloses Verlangen entfacht hatte. Wimmernd hatte sie unter ihm die größte Ekstase ihres Lebens erfahren, und er hatte dabei aus dem Fenster gesehen – als ob er allein gewesen wäre.
Hatte er die Sterne gezählt?
Hatte er im Kopf obszöne Liedchen intoniert, um nicht vornüber zu fallen und einzuschlafen?
Sie hatte ihn verloren.
Nein, Esmeralda schwor es sich, sie würde ihn nie verlieren.
»Hawk?«
»Mmh?«
Zärtlich fuhr sie mit zitternden Fingern über das lavendelfarbene Seidenlaken. »Komm zurück ins Bett, Hawk.«
»Ich habe heute keine Ruhe, Süßes.« Er spielte mit dem Stiel einer großen, hellblauen Blüte. Noch vor einer halben Stunde hatte er ihre taugetränkten Blätter über ihre seidige Haut gleiten lassen.
Esmeralda zuckte zusammen bei seinem offenen Eingeständnis, daß er noch Überschuß an Energie hatte. Ermattet und befriedigt konnte sie sehen, daß sein Körper immer noch vom Kopf bis in die Zehen ruhelos vor Kraft strotzte.Welcher Art von Frau – oder wie vieler – bedurfte es, um diesen Mann vollends befriedigt einschlummern zu lassen?
Mehr Frauen als sie, und, bei den Göttern, wie weh ihr das tat.
Hatte ihre Schwester ihm größere Befriedigung verschafft? Ihre Schwester, die sein Bett gewärmt hatte, bis Zeldie einen Weg gefunden hatte, ihren Platz einzunehmen.
»Bin ich besser als meine Schwester?« Bevor sie es verhindern konnte, waren ihr die Worte entschlüpft. Sie biß sich auf die Lippe und erwartete bang seine Antwort.
Ihre Worte zogen seinen verhangenen Blick fort von der sternenklaren Nacht, ließen ihn durch das großzügig bemessene Schlafzimmer gleiten, bis seine Augen schließlich auf der schmollenden Zigeunerin mit dem rabenschwarzen Haar ruhten. »Esmeralda«, tadelte er sie sanft.
»Also?« Ihr heiserer Alt bekam einen aggressiveren Ton.
Er seufzte. »Wir hatten diese Unterhaltung doch schon früher –«
»Und du hast mir nie geantwortet.«
»Hör auf, dich zu vergleichen, Süße. Du weißt doch, daß es dumm ist …«
»Wie könnte ich damit aufhören, wenn du mich mit hundert, wenn nicht sogar tausend anderen vergleichen kannst, sogar mit meiner Schwester?«
Ihre wohlgeformten Augenbrauen zogen sich finster über den blitzenden Augen zusammen.
Sein dröhnendes Lachen erfüllte den Raum. »Und mit wie vielen vergleichst du mich, bezaubernde Esmeralda?«
»Meine Schwester kann nicht so gut gewesen sein wie ich. Sie war ja fast noch eine Jungfrau.« Beinahe angeekelt spuckte sie das Wort aus. Das Leben war viel zu unwägbar, als daß die Jungfräulichkeit bei ihrem Volk als wertvoller Besitz gelten konnte. Die Lust, mit all ihren Facetten, hatte in der Kultur der Zigeuner einen hohen Stellenwert.
Warnend hob er eine Hand. »Hör auf. Sofort.«
Aber sie konnte nicht. Die giftsprühenden Worte ihrer Anklage sprudelten schnell und wutschnaubend dem einzigen Mann entgegen, der jemals ihr heidnisches Blut zum Singen gebracht hatte, denn die Langeweile, die er zwischen ihren Schenkeln empfand, war an diesem Abend wie in Granit auf sein makelloses Gesicht gemeißelt worden. In Wahrheit war das schon seit vielen Abenden der Fall.
Stillschweigend ertrug er ihren Wutausbruch, und als ihre Zunge endlich schwieg, wandte er sich wieder zum Fenster. Das Geheul eines einsamen Wolfes zerriß die Nacht, und in ihrem Inneren erklang ein Schrei, der ihm antwortete. Sie wußte, das Schweigen des Hawk war sein Lebewohl. Tief getroffen von Ablehnung und Erniedrigung, lag sie bebend in seinem Bett – in dem Bett, in das er sie nie wieder einladen würde.
Sie würde töten für ihn.
Und genau das war es,
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